Gentechnik sickert ins Getreide ein

Während die EU noch streitet, wie streng sie Gentechnik im Saatgut regulieren will, steht Mexiko schon vor den Scherben lascher Aufsicht: In jeder sechsten Ernte findet sich genmanipulierter Mais. Kanadas Biobauern verzweifeln derweil am Raps

von WOLFGANG LÖHR

Für Bauern, die ohne Gentechnik produzieren, geht es um die Existenz. Vor allem Biobauern wollen durch strenge Grenzwerte verhindern, dass die gentechnische Saat peu à peu das normale Saatgut verunreinigt. Die Erfahrungen aus Kanada und Mexiko lassen das Schlimmste befürchten: In Mexiko wurden bereits in einer groß angelegten Studie mit 2.000 Stichproben in jeder sechsten konventionellen Ernte auch gentechnisch veränderter Mais gefunden. Auf manchem Acker bis zu drei verschiedene Genmais-Sorten. Ursache ist der wilde Anbau von Genmais und die Tradition, einen Teil der Ernte wieder auszusäen.

Über Verunreinigungen im Saatgut wird derzeit in der EU heftig gestritten. Ein Vorschlag der EU-Kommission, die seit langem schon darauf drängt, den kommerziellen Gentech-Anbau freizugeben, sieht für Saatgut Grenzwerte von 0,3 bis 0,7 Prozent vor. Das sei viel zu hoch, sagen Umweltverbände und Verbraucherorganisationen. Auch Agrarministerin Renate Künast schloss sich dem an. Eigentlich wollte die EU-Kommission heute ihren Vorschlag von einem technischen Ausschuss endgültig absegnen lassen. Dazu wird es nicht kommen: Auf Druck der Kritiker sollen jetzt sowohl das Europaparlament als auch der EU-Ministerrat beteiligt werden. Die Zeit drängt, denn in Spanien wird Genmais bereits auf rund 300 Quadratkilometern angebaut – das entspricht einem Drittel der Fläche Berlins.

In Kanada, wo seit Jahren auf riesigen Flächen Gentech-Pflanzen wachsen, haben einige Biofarmer schon resigniert. Nach den USA und Argentinien gehört Kanada zu den Weltmarktführern beim Gentech-Anbau – vor allem von Raps. Da Rapspollen sich weit ausbreiten, war es fast unvermeidlich, dass Nachbarfelder kontaminiert wurden. Eine gentechfreie Produktion, wie sie der Ökolandbau vorschreibt, war nicht mehr möglich. Der Versuch betroffener Biofarmer, von den Saatgutkonzernen Schadenersatz zu erhalten, lief bislang ins Leere.

Noch schwieriger ist die Situation im Mutterland des Mais-Getreides, in Mexiko. Anfang Oktober wiesen mehrere Bauernorganisationen und indigene Verbände in Zusammenarbeit mit der Nationalen Autonomen Universität Mexiko (Unam) nach, dass das Land bereits in großen Stil von Gentechnik-Mais durchzogen wird – und das, obwohl der Anbau von Gentech-Pflanzen in Mexiko noch nicht erlaubt ist.

Erste Studien warnten schon vor gut zwei Jahren, dass im mexikanischen Mais zunehmend gentechnische Veränderungen zu finden sind. Anfänglich wurden diese Ergebnisse von der Regierung zurückgewiesen. Erst viel später gestand die mexikanische Regierung ein, dass eigene Untersuchungen zu dem gleichen Ergebnissen führten haben. Die Ursache sind Maisimporte aus den USA: Die nur für die Futter- und Lebensmittelverarbeitung vorgesehenen Maiskörner werden von vielen Bauern neu ausgesät – und dann als normales Getreide angebaut.

Die Studie der Unam zeigt, dass die Verunreinigungen weitaus höher sind als befürchtet. In einigen der rund 2.000 untersuchten Proben wurden gentechnische Anteile im „normalen“ Mais von bis zu einem Drittel festgestellt. Gefunden wurde auch „Starlink“ von Bayer, eine Maissorte, die in den Vereinigten Staaten nur als Viehfutter zugelassen ist.

In Mexiko gedeiht noch heute die weltgrößte Vielfalt an Wildsorten – ein wertvolles Reservoir für die weltweiten Maiszüchtung. Auch das Internationale Weizen- und Maisforschungszentrum residiert in Mexiko. Es musste bereits einen umfangreichen Sicherheitscheck für alle neu gesammelten Maisvarianten erlassen.