Friedliche Musikanten

Nach jahrelangen Querelen fiel die Verleihung des „Westfälischen Friedenspreises“ friedlich aus: Masur und Sternensinger sind problemlos

„Die Motivation von Terroristen soll nicht verurteilt werden“– Masurs Preisrede

AUS MÜNSTER JÖRG GIERSE

Am 9. Oktober 1989 handelte Kurt Masur in seiner Leipziger Wohnung mit SED-Funktionären einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit aus. Am 9. Oktober 2004, im Friedenssaal des münsterischen Rathauses, lächelte Masur versonnen und altersmilde in Erinnerung daran. Der berühmteste deutsche Dirigent nahm am Samstag mit professioneller Bescheidenheit die Huldigungen entgegen, die ihm als Träger des Westfälischen Friedenspreises zuteil wurden.

Vor 15 Jahren hatte Kurt Masurs Engagement nach Ansicht der Jury entscheidenden Anteil am friedlichen Verlauf der Leipziger Montagsdemonstrationen. Das mache den früheren Gewandhauskapellmeister zu „einem der Väter einer friedlichen Revolution auf deutschem Boden.“ Laudator Wolfgang Schäuble, damals bundesdeutscher Innenminister der Christdemokraten, nannte seinen persönlichen Freund Masur einen „Botschafter für die Versöhnung mit unserem Erbe“.

Der inzwischen 77-jährige „Politiker wider Willen“ gab sich angesichts der Ehrung demütig: Der Preis gebühre nicht ihm, sondern „der ganzen Stadt, die den Befehlen Honeckers ein Nein entgegen setzte“. Die Bühne des Saals, in dem 1648 der Westfälische Friede geschlossen wurde, nutzte Masur zu einem Appell für bessere Kulturförderung. Leichtes Stirnrunzeln unter den 800 Honoratioren verursachte er mit der Bemerkung, man solle „nicht die Motivation jedes Terroristen verurteilen, der bereit ist, sich selbst zu opfern“ – auch wenn Radikalismus in jeder Form abzulehnen sei.

Das blieb aber auch der einzige schräge Ton eines ansonsten reibungslos harmonischen Festaktes. Den Organisatoren der „Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen-Lippe“ (WWL), die die Auszeichnung seit 1998 alle zwei Jahre verleiht, dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein. Denn die kurze Geschichte des Westfälischen Friedenspreises ist reich an Turbulenzen: Im Jahr 2000 wurde die Übergabe der bronzenen Pferdestatuette an Preisträger Helmut Kohl abgesagt, weil der Altkanzler gerade tief im Parteispendensumpf versackte. Obwohl er trotzig dort stecken blieb, löste man das Problem auf gut westfälische Weise: Ein Jahr später bekam Kohl den Friedenspreis ohne viel Aufsehen trotzdem überreicht. Im Jahr 2002 organisierten dann linke Gruppen Proteste gegen die Verleihung an die Chefanklägerin des Den Haager Kriegsverbrechertribunals, Carla del Ponte. Auf Transparenten geißelten sie die „Siegerjustiz“ der NATO über das jugoslawische Regime und forderten: „Friedenspreis für Milosevic“.

Im Bestreben, das Bronzepferd neben dem AachenerKarlspreis als wichtigsten deutschen Friedenspreis zu etablieren, ging die WWL 2004 auf Nummer Sicher: Neben Masur zeichnete sie die katholische Sternsinger-Bewegung aus, deren 500.000 Aktive jährlich Millionen für Kinderhilfsprojekte in Entwicklungsländern sammeln. Die 50.000 Euro Preisgeld, die sich Dirigent und Sänger teilen, stammen aus den Schatullen der WWL-Mitglieder – allesamt gutsituierte westfälische Unternehmer: Im Vorstand sitzen unter anderem Oetker- Chef Ernst Schröder, Gelsenwasser-Boss Manfred Scholle und der Bielefelder Bankier Horst Annecke.