berliner mauer am checkpoint charlie wieder aufgebaut
: Hier wächst zusammen, was zusammengehört

Es finden sich Segmente von ihr im Garten der Vereinten Nationen in New York. Das neu entstehende German Village in Schanghai bemüht sich um ein paar dieser Betonplatten. Und in Bröckchen verteilt, findet man sie zwischen Waschbärenschwanz aus Kanada, Harlekinpuppe aus Paris und in Bronze gegossener Freiheitsstatue aus New York in zahlreichen Wohnzimmerschränken dieser Welt, wo sie neben den all den anderen Souvenirs das Jahrzehnt des Reisewahns der Prä-9-11-Geschädigten dokumentieren. Warum soll sie nicht auch wieder in Berlins Mitte stehen dürfen?

Darf sie ja. Zumindest bis zum Jahresende. Derzeit noch geheimnisvoll hinter schneeweißen Kunststoffplanen verhüllt, wird seit einigen Tagen an der Friedrich- Ecke Zimmerstraße auf einer Länge von 200 Metern ein Stück deutsch-deutsche Geschichte wieder errichtet. 15 lange Jahre nach der Wende wächst zusammen, was zusammen gehört – zumindest ein Teil davon: die Berliner Mauer.

120 Originalbetonsegmente hatte seinerzeit Rainer Hildebrandt, der Gründer des Mauermuseums am Grenzübergang Checkpoint Charly, vor dem Einheitsmob retten können, um sie seiner umtriebigen Witwe Alexandra zu vermachen. Sie versucht nun mit großer Leidenschaft den fast vergessenen Betonplatten zu der Ehre zu verhelfen, die ihnen gebührt. „Denkmal für die Freiheit“ soll der Betonwall heißen, liebevoll bemalt von spanischen Künstlern. Und als „Überraschung“ gehütetes Schmankerl: Hinter den Mauerresten sollen auf weißem Kies schwarze Holzkreuze an die Mauertoten erinnern.

Dass die originalgetreue Mauer just an der Stelle entsteht, an der sie vor 15 Jahren eben nicht stand, sollte dem Anliegen keinen Abbruch tun. Auch nicht, dass die Mauer vor 15 Jahren kein ästhetisch graffitibesprühtes Fotomotiv war, sondern aus zwei wuchtigen Betonmonstren bestand, inklusive Schießanlage und Todesstreifen. Im Gegenteil: fügt sich Hildebrandt doch nur dem Trend der Zeit und passt das Mauerwerk den leer stehenden Glas- und Stahlbauten der Prachtzeile Untere Friedrichstraße an.

Zudem hat es die East-Side-Gallery zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke ja auch erfolgreich geschafft, nach einem eher enttäuschenden Boom den unsäglichen Massenmauertourismus fernzuhalten – angeblich allein aus dem Grund, dass die Graffiti fälschlicherweise nach der Wende auf die Ostseite der Wand gesprüht wurden.

Nur schade, dass es sich bei Alexandra Hildebrandt um die gleiche Leiterin des Mauermuseums handelt, die keine Bratwurstbude duldet, keine Biergärten und auch keine illustren StudentInnen, die sich in Kostümen der alliierten Soldaten vor der Wachbaracke in der Sonne aalen und sich ab und zu mal für ein Foto-Shooting mit gut gelaunten Touristen zur Verfügung stellen. Der Chefin des privat betriebenen Museums damit aber ein rein profitorientiertes Interesse vorzuwerfen – das würde einem im Leben nicht einfallen. Und überhaupt: Was, bitte schön, ist an Disneyland so schlecht?

FELIX LEE