39 Jahre sind genug!

Schluss mit Larmoyanz und langen Schlangen! Der Alterspyramide die Basis nehmen

Das wird Sie einstimmen auf den Moment, in dem Sie dem großen Roboförster entgegentreten

Bürger und Bürgerinnen! Das Internationale Jugend-Gesetz tritt heute in Kraft. Die Maßnahmen zu seiner raschen Umsetzung sind angelaufen. Mit ihrer Beendigung wird noch vor dem Weihnachtsgeschäft gerechnet. Da verschiedentlich Stimmen laut geworden sind, die zur Verunsicherung beitragen, möchten wir Ihnen ein paar Worte zur Erklärung der von uns getroffenen Entscheidung sagen. Das Wichtigste vorab: Methusalems über 50 haben nichts zu befürchten! Hier einzugreifen, wäre in den Zeiten hoher Immunschwäche und galoppierenden Altersschwachsinns vergeudete Energie. Straßenverkehr und Umweltgifte wirken ja längst zuverlässig und kostenfrei. In Abstimmung mit der Ministerin für Verbraucherschutz und Verbrauchersicherheit wurde daher das jagdbare Alter auf die Jahrgänge 1961 bis 1970 begrenzt, also auf die 40- bis 49-Jährigen.

Das Problem der Überalterung ist ja nicht neu. Wir haben es schon seit einigen Jahren vehement zu spüren bekommen, weshalb nicht wenige von uns es als Befreiung empfinden werden, dass endlich reiner Tisch gemacht wird. Nehmen Sie nur den Mittvierziger, der im Supermarkt geschlagene 1,3 Minuten braucht, um den Bezahlvorgang abzuschließen und das Payterminal für endlose Schlangen von zahlungswilligen schnittigen Dreißigern oder knackigen Zwanzigern – sprich: für Sie und mich – blockiert. Wir haben unsere Freizeit nicht gestohlen! Jede Sekunde, die wir durch Alte verlieren, die sich in ihrer stumpfsinnigen Behäbigkeit über Verkehrswege schieben, obwohl die Leuchtsignale ihnen bereits Nanosekunden lang zu stehen befehlen, ist verloren. Bürgerinnen und Bürger! Alte rauben uns unsere Jugend. Das muss endlich aufhören.

Nehmt nur die erschreckende Zunahme von L40+ (Larmoyanz bei Menschen über 40). Wir wollen das Gejammer der Alten einfach nicht länger mitanhören. Es macht uns krank, die Vierzigergespräche über uns ergehen lassen zu müssen. Über ihre Zahnersatz- und Arbeitsplatzprobleme haben wir schnittigen Dreißiger oder knackigen Zwanziger so ziemlich alles vernommen, was vorstellbar ist. Wenn du einen 40+ler (Vierzigkreuzler, Plussie) ansprichst, hörst du entweder ein irres Lachen oder einen Seufzer. Das Gespräch wird von nicht mehr vorhandenen Lebenspartnern, vom Fußball oder von steigenden Benzin- und Zigarettenpreisen handeln. Wir haben nur eine kurze Frist, die uns durch Vierziger vermiest wird. Sie sitzen nicht nur in Talkshow und Kneipe und verzapfen Verbalfrust. Sie tun es auf offener Straße. In der U-Bahn. Im Web. Schluss damit!

Wir wollen unsere menschlichen Ressourcen optimal nutzen. Mit Freude, mit Kraft, mit Risikobereitschaft. Mit ökonomischem Verstand. Dazu gehört vor allem, zu wissen, wann Schluss ist. Jeder prüfe sich kurze und sage sich dann: 39 ist genug! Was danach kommt, ist nicht mehr schön. „Einmal muss Schluss sein!“ Das wird Ihnen, Bürgern und Bürgerinnen, wenn Sie ins Abtrittsalter kommen, als Message durch Ihr letztes Jahr begleiten und mental einstimmen auf den Moment, in dem Sie dem großen, weißen Roboförster mit seiner soften Sonystimme gegenübertreten. „Einmal muss Schluss sein!“ Auf eurer Konsole wird es angezeigt. Am Payterminal wird es angezeigt. Am nächsten Payterminal auch. Am übernächsten Payterminal. Und wo immer sonst Sie sich im hohen Alter noch aufhalten werden.

Und ihr Vierziger nun, die das Ende so völlig unvermittelt ereilt? Beschlich euch nicht schon seit langer Zeit das Gefühl, ihr Kinder einer verlorenen Generation, schon längst gestorben zu sein, Untote zu sein in einer vor Lebenslust überquellenden jungen und schönen Welt? Fühlt ihr nicht ohnehin schon den schleichenden Tod in euren alten mürben Knochen, spürt ihr nicht sowieso bereits den alles lösenden, lockernden Handschlag des Sensenmannes auf eurer knochigen Schulter? Geht in euch und erkennt, dass es nun an der Zeit ist zu gehen. Auch wenn ihr mit Gott geht, hat keiner was dagegen. Aber geht!

Möglicherweise werdet ihr ein gelindes Bedauern verspüren, wenn euch der freundliche Automat auffordert, stehen zu bleiben, damit der Entsorger nicht so viel Reinigungsmittel braucht – schlecht sitzende Dumdumgeschosse machen einfach eine Höllensauerei. Doch das Gefühl der Erleichterung, das die zurückbleibende Jugend nach eurem Fortgang empfindet, sollte euch Trost und Ermunterung sein für eure letzten Sekunden. Es gibt Schlimmeres, als von einem vollsynthetischen Jäger der dritten Generation erlegt zu werden. Einmal muss Schluss sein! Beschwerden werden entgegengenommen; Antwortbescheide auf Wunsch auch postum zugestellt. Bürgerinnen und Bürger! Wir haben über das Alter gesiegt! Hurra! TOM WOLF