Grüne Glaubwürdigkeit? Lange her

betr.: „Grüne schwelgen in Parteitagsharmonie“, taz vom 4. 10. 04, „Neuer Grünen-Vorstand äußerst sensibel“, „Grüne halten die Füchse auch nicht auf“, „Gleichgültiges Achselzucken“, Kommentar von Lukas Wallfraff, taz vom 5. 10. 04

Panzer nur deshalb nicht als Kriegsgeräte zu bezeichnen, weil sie defensiv eingesetzt werden sollen, ist spitzfindig. Eben weil der grüne Parteitag in Kiel das nicht so sieht, hat er die Lieferung der „Fuchs“-Panzer in den Irak als politischen Fehler qualifiziert und abgelehnt.

Er hat außerdem der Grünen-Spitze einen klaren Auftrag mitgegeben, der mit „mehr Sensibilität“ in der Sache nicht abzugelten ist: Künftig darf es keine auch nur indirekt militärisch nutzbaren Lieferungen aus Deutschland in den Irak mehr geben.

Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass die provisorische Regierung in der Bevölkerung weithin nicht legitimiert ist, ja als Marionette der USA gilt. Die militärische Besetzung des Irak verschärft ganz offenkundig den Konflikt, die Gewalt, das Chaos und einen bedrohlichen Zerfall der dortigen Gesellschaft. Lieferung von Kriegsgeräten kann da nicht helfen und schlimmstenfalls nur die Lieferanten in einen perspektivlosen Konflikt hineinziehen, der immer mehr Opfer in der Zivilbevölkerung kostet. Für eine internationale Lösung der völlig verfahrenen Situation im Irak ist es aber wichtig, dass europäische Länder wie Deutschland, Frankreich und Spanien konsequent „draußen“ bleiben. HARTWIG BERGER, Berlin

Da hat die Mehrheit des Parteitages der Grünen ein tolles Vorstandsduett gewählt. Dass Roth und Bütikofer den Parteitagsbeschluss zum Export der Schützenpanzer in die Golfregion ernst nehmen, aber nicht versuchen werden, die Entscheidung des Bundessicherheitsrates rückgängig zu machen, ist doch ein gestreckter Salto rückwärts nach vorne. Allein diese Aussage begründet einen Abwahlantrag gegen Roth und Bütikofer. […]

Die Entscheidung des Bundessicherheitsrates, die Schützenpanzer nicht direkt in den Irak zu liefern, sondern erst mal „nur“ in die Vereinigten Arabischen Emirate, weshalb die Lieferung nicht in eine Krisenregion erfolge, ist doch absolut lächerlich. Bei den gepanzerten Fahrzeugen handelt es sich um Rüstungsgüter, die nicht in eine Krisenregion geliefert werden dürfen. Dass die Grünen das nicht deutlich machen, ist bedauerlich. […]

Die Bundesrepublik würde besser fahren, wenn sie den Aufbau ziviler Strukturen, zum Beispiel zur Etablierung einer glaubwürdigen, nachvollziehbaren Justiz, im Gegenwert der Schützenpanzer unterstützt, oder zur Verbesserung der Infrastruktur (Energieversorgung, Wasserver- und -entsorgung) beiträgt. Diese Rüstungslieferung trägt ganz sicher nicht zu einer Entspannung der Situation im Irak und der Golfregion bei. JÜRGEN RUMMEL, Berlin

Sicherlich käme schon die Lieferung „normaler“ „Füchse“ in den Irak einer Unterstützung des derzeitigen Besatzungsregimes (wertfrei: ein Regime ist rein wissenschaftlich zunächst eine Institution, die Macht durch Verwaltungskompetenz realisiert) gleich. Wenn aber diese „Füchse“ nicht als polizeiliche, sondern als genuin militärische Geräte eingesetzt werden sollen (was durch entsprechende Umrüstung sehr einfach möglich wäre), unterstützen die Grünen spätestens dann de facto die USA und ihre derzeitige politische Führung. Das mag etwas mit Diplomatie zu tun haben, wie sie das Auswärtige Amt scheinbar sogar Herrn Fischer und (über den Umweg der Machtgeilheit) Frau Roth anerziehen kann. Mit völkerrechtlichen Idealen und Grundsätzen hat das nichts mehr zu tun.

ROLAND BÖSKER, Bremen

Glaubwürdigkeit, ob schwarz, rot, gelb oder auch grüne, / egal von wem, auf welcher Bühne, / Glaubwürdigkeit durch was, von welchem Ort, / Opportunismus fegte lang sie fort, / was bleibt, ist noch ein schönes Wort. / Glaubwürdigkeit auf dieser Welt, / ein Wort zu geben, was auch hält, / wann war das nur so ganz genau, / mir wird dabei schon richtig flau, / oh nein, das führte hier zu weit, / dazu fehlt wirklich jede Zeit. JUTTA RYDZEWSKI, Bochum

Glaubwürdigkeit und grün, grüne Glaubwürdigkeit gibt es genauso wenig wie schwarze, rote oder gelbe, lieber Lukas Wallraff. Erstaunlich ist doch eigentlich gar nix mehr, seit das Herr Oberbeliebtheitsaußenfischerlein als virtueller und auch sonstiger Übervorsitzender bei Grün regiert. Ob es sich nun um die Menschenrechte, beispielsweise in Tschetschenien, oder um so ein paar Panzer handelt, wer sollte sich denn darüber überhaupt noch aufregen? Nein, lieber Lukas Wallraff, die Zeiten sind lange, lange vorbei, und fast befürchte ich, dass Sie das auch wissen.

Nun geht es mit strammem Schritt und machtbewusstem Blick 2006 entgegen. Das grüne Herz ist vorgeblich wieder durch Claudia Roth vertreten, obwohl auch sie sich nicht unbedingt an Beschlüsse ihrer Partei gehalten hatte. Also, auch das ist nix Neues und gehört lange der Vergangenheit an. KLAUS ZINNER, Bochum

betr.: „Füchse in den Irak“, taz vom 29. 9. 04

Mit der Lieferung der Transportpanzer macht sich die Bundesregierung nicht nur zum Komplizen, sondern zum direkten Kriegsteilnehmer im Irak. Diese Absicht widerspricht nicht nur den eigenen Exportrichtlinien von Januar 2000, sondern auch ihren angeblich kritischen Positionen in dem Krieg, der 2003 mit dem Sturz Saddam Husseins endete. Mit der Rüstungslieferung gefährdet sie ihre Position als vermittelnde Macht im Nahen Osten und setzt sich der Gefahr aus, selbst Angriffsziel des irakischen Widerstandes zu werden. Dies sieht auch der Kasseler „Bundesausschuss Friedensratschlag“ so.

Die Beschlüsse der Bundesregierung sind im Bremer Friedensforum ebenfalls auf heftige Kritik gestoßen. Sie wurden vom „Bundessicherheitsrat“ vorbereitet, einer Art Geheimclub, der bisher alle Rüstungsexporte genehmigt hat. Preußische Tradition lässt grüßen! Dieses Gremium wird nämlich weder von der Regierung noch vom Parlament oder sonst wem kontrolliert, entstammt also vordemokratischer Zeit, und daher dürfte es den seltsamen Club schon längst nicht mehr geben. Es sei denn, die alten Traditionen werden in einem neuen, militärisch ausgerichteten Europa wieder gebraucht. Das scheint der Fall zu sein! WIELAND VON HODENBERG, Bremen

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