Der Mensch als Störung

Robin-Wood-Aktivisten reichen beim Verfassungsgericht Klage gegen ihre Verurteilung durch das OLG Celle ein. Gewaltfreie Blockade in die Ecke des „Terrorismus“ gestellt

Hamburg taz ■ Der Countdown läuft: Zwei Wochen vor dem Eintreffen eines neuen Castor-Transportes aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague im Wendland hat die Bezirksregierung Lüneburg am Wochenende die „Allgemeinverfügung“ veröffentlicht. Darin wird für die Tage des Transportes ein Demonstrationsverbot entlang der Castor-Strecke zwischen Lüneburg, Dannenberg und Gorleben verhängt. „Die 5. Jahreszeit hat schon begonnen, es ist wieder grün vor Polizei“, sagte gestern Wolfgang Ehmke von der BI-Lüchow-Dannenberg in Hamburg.

Indes gehen Aktivisten der Umweltschutzorgansiation Robin Wood mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Kriminalisierung der Atomproteste und die Einschüchterung des Widerstandes durch die Justiz vor. Kern der Verfassungsrüge ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG) gegen vier Robin-Wood-Aktivisten.

Das Gericht hatte die Revison der vier Männer gegen die vorinstanzlichen Urteile abgeschmettert, in denen sie wegen „Störung eines öffentliches Betriebes“ nach § 316b Strafgesetzbuch zu Geldstrafen verurteilt worden sind. Die vier Aktivisten hatten sich am 27. März 2001 bei Süschendorf in einer spektakulären Aktion in einem Betonklotz eingebettet an die Gleise gekettet, so dass der Castor-Transport 13 Stunden lang zum Stehen gekommen war.

Während derartige Aktionsformen früher als Bagatelle geahndet und die Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wurden, versucht die Staatsanwalt Lüneberg seit Anfang 2001 auf Anregung des Bundeskriminalamtes, diese Ordnungswidrigkeit rigoros und „generalpräventiv“ zu ahnden. Der Paragraph 316b umfasst so genannte Katalogstraftaten, die häufig im Zusammenhang mit Paragraph 129a („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) angewendet werden. Damit könnten Castor-Demonstranten künftig ins Visier der Staatsschützer geraten.

In ihrem Beschluss verschärfte das OLG das Urteil des Landgerichts noch mit der Behauptung, dass allein schon das Anketten an Gleisen „die Schienen unbrauchbar“ gemacht hätte. „Für das Gericht ist der Mensch als solches eine Störung“, kommentiert Robin-Wood-Anwalt Martin Lemke sarkastisch.

Für Lemke ist das Urteil unhaltbar, da damit der gewaltfreie politische Protest in die Ecke des „Terrorismus“ gestellt werde. Zumal es sich bei dem Castor-Transport um „keinen öffentlichen Betrieb“ gehandelt habe. „Das ist kein öffentlicher Verkehr, wenn eine Bahnstrecke eine Woche lang gesperrt und von 10.000 Polizisten bewacht wird.“ Und „Werksbahnen“ seien laut juristischer Definition „kein öffentlicher Verkehr“. Das OLG-Urteil diene, findet Lemke, „vor allem der Abschreckung“.

KAI VON APPEN