Sollen Eltern für ihre Kinder wählen dürfen?

Für jedes Kind eine Stimme mehr für die Eltern: Mit diesem Vorschlag zur Änderung des Wahlgesetzes versuchte sich der selbst ernannte CDU-Reformer und Bremer Bausenator Jens Eckhoff unlängst als Familienpolitiker zu profilieren. Sein Ruf nach einem Familienwahlrecht wird aber kaum erhört werden

Das Wahlrecht der Kinder sollen die Eltern treuhänderisch ausüben

Bremen taz ■ Jens Eckhoff schießt für gewöhnlich schnell – mal aus der Hüfte und auch mal über’s Ziel hinaus: In seinem Strategiepapier zur Modernisierung der Bremer CDU (taz berichtete) hat der Bau- und Umweltsenator nicht nur einer Reihe von – parteiintern durchaus umstrittenen – Reformvorschlägen gemacht, sondern sich gleich auch noch als Wahlrechtsreformer versucht: Man möge doch über die Einführung eines „Familienwahlrechts“ nachdenken, so Eckhoff.

Sein Argument: Familien mit Kindern und Alleinerziehende fänden „bei politischen Entscheidungsprozessen zu wenig Berücksichtigung“. Um diese Gruppe zu stärken gelte über die Einführung eines Wahlrechts ab der Geburt nachzudenken. Eckhoff selbst weist darauf hin, dass es im Deutschen Bundestag bereits eine parteiübergreifende Initiative für ein solches Familienwahlrecht gibt: 46 Abgeordnete aus allen Fraktionen haben Mitte September einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem sie fordern, die Altersmindestgrenze des Wahlrechts von 18 Jahren aufzuheben. Allerdings: Kinder sollen zwar Inhaber des Wahlrechts sein, dieses soll jedoch „treuhänderisch von den Eltern bzw. Sorgeberechtigten als den gesetzlichen Vertretern ausgeübt“ werden.

„Der in Artikel 38 Absatz 2 des Grundgesetzes festgelegte Ausschluss von Kindern und Jugendlichen vom Wahlrecht“, argumentieren die Parlamentarier, „vereitelt eine angemessene Berücksichtigung der jungen Generation im politischen Willensbildungsprozess“. Wer Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahre – und damit immerhin 20 Prozent der Bevölkerung – das Wahlrecht vorenthalte, stelle die prinzipielle Gleichheit der Staatsbürger in Frage und fördere eine Politik, „die zu einer Verlagerung von Lasten auf die nächste Generation tendiert“. Unterschrieben ist der Antrag unter anderem von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, dem CDU-Politiker Rainer Eppelmann, FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper sowie den Grünen Werner Schulz und Antje Vollmer.

Von den Bremer Grünen erhält Eckhoff, dem ja gelegentlich schwarz-grüne Träume nachgesagt werden, für seinen Vorschlag keinen Rückenwind: „Uns geht es darum, jungen Menschen stärkere Partizipationsmöglichkeiten zu geben“, sagt der jugendpolitische Sprecher der Bürgerschafts-Grünen, Jens Crueger. Wer Familien wirklich stärken wolle, müsse „ganz andere Mechanismen in Angriff nehmen“, etwa finanzielle Erleichterungen für Familien beschließen. Ein Familienwahlrecht jedoch laufe jeglichen Bestrebungen zuwider, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen. Der Antrag, weiß Crueger, „wird im Bundestag grandios scheitern“. Derlei „interfraktionelle Anträge“ seien überdies „meistens so Profilierungskisten“.

Seine Fraktion habe über ein Familienwahlrecht „noch gar nicht disktutiert“, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD in der Bürgerschaft, Hermann Kleen. Er selbst lehne ein solches Wahlrecht ab. Vielmehr komme es darauf an, die Politik kinder- und jugendfreundlicher zu gestalten, etwa durch ein Wahlrecht ab 16 oder andere Beteiligungsformen. Kleen bezweifelt, ob Eltern bei einer Wahl „der ganz besonderen Verantwortung“ für Kinder und Jugendliche überhaupt gerecht würden: Eltern seien ja nicht nur Eltern, „sondern auch Arbeitnehmer, Autofahrer oder ÖPNV-Nutzer“ – und würden als solche an der Wahlurne von den unterschiedlichsten Interessen geleitet.

Markus Jox