Brandstiftung mit tödlichen Folgen

Bei Großbrand in Kreuzberg stirbt ein Mann, nachdem er aus dem Fenster sprang. Polizei vermutet Brandstiftung

Vermutlich Brandstiftung forderte ein Menschenleben. Bei einem schweren Hausbrand ist gestern Morgen in Kreuzberg ein Mann ums Leben gekommen, acht weitere Personen wurden verletzt, zwei davon schwer. Sie werden stationär im Krankenhaus behandelt. Für die Polizei besteht der Verdacht einer Brandstiftung. „Im Moment sieht alles danach aus“, sagte gestern Nachmittag eine Polizeisprecherin. Ein Brandkommissariat des Landeskriminalamtes hat die Ermittlungen übernommen. Der fünfstöckige Altbau an der Cuvrystraße brannte völlig aus, es entstand Sachschaden in Millionenhöhe.

Das Feuer war gegen halb zehn Uhr morgens im Hausflur des Gebäudes ausgebrochen, in dem noch etwa hundert Umzugskisten eines neuen Mieters herumstanden, die offenbar angezündet wurden. Die Flammen konnten sich im Treppenhaus schnell bis in die oberen Stockwerke und in den Dachstuhl durchfressen. „Das ganze Haus stand plötzlich lichterloh in Flammen“, sagte eine Bewohnerin eines gegenüberliegenden Hauses. Erst am Wochenende sei ein neuer Mieter eingezogen, habe seine Kisten auf der Treppe stehen lassen, erzählt die ältere Dame weiter. Diese behinderten die Löscharbeiten der Feuerwehr erheblich.

Noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr sprangen drei Bewohner aus ihren Fenstern auf die Straße. Dabei verletzten sie sich schwer. Ein 50-Jähriger erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Verletzt wurden auch zwei Feuerwehrleute, sie erlitten Rauchgasvergiftungen.

„Ich habe noch einen Mann gehört, wie er schrie: Erna, spring noch nicht“, berichtet eine Bewohnerin eines angrenzenden Hinterhauses sichtlich geschockt. „Dann waren die Stimmen weg.“ Man habe in der Wohnung das Prasseln der Flammen gehört, die Brandschutzwand sei sogar warm geworden, sagt eine andere. Evakuiert werden mussten die Nachbarhäuser aber nicht. Die Feuerwehr verhinderte das Übergreifen des Brandes auf angrenzende Gebäude. Noch am Nachmittag suchten Feuerwehrleute in dem Haus nach versteckten Glutnestern.

Das abgebrannte Haus war überwiegend von sozial Schwachen und Alkoholikern bewohnt gewesen, berichten mehrere Anwohner übereinstimmend. Lautstarke nächtliche Streits seien an der Tagesordnung gewesen. Manch ein Anwohner war in seinem Urteil allerdings recht vorschnell: „Die sind bestimmt im Suff mit ’ner brennenden Zigarette eingeschlafen“, meint einer. Ein anderer vermutet, dass defekte Heizlüfter die Brandursache gewesen seien. Haltlose Vermutungen, wie sich herausstellte.

Der Zustand der Wohnungen behinderte allerdings die Löscharbeiten: „Wir mussten uns überall durch brennendes Gerümpel durchkämmen“, sagte ein Feuerwehrmann. Die Feuerwehr hatte den Brand erst am späten Vormittag unter Kontrolle. Rund 90 Feuerwehrleute waren im Einsatz, 500 Quadratmeter Wohnfläche waren vom Brand betroffen.

Nach Feuerwehrangaben ist das Gebäude nicht mehr bewohnbar. Der dritte und fünfte Stock sowie der Dachstuhl sind völlig ausgebrannt. Das erste, zweite und vierte Geschoss sind durch Wasserschäden nicht mehr nutzbar. Das Sozialamt Friedrichshain-Kreuzberg muss sich nun um Ersatzwohnraum für die betroffenen Mieter kümmern. Die Polizei sperrte die Umgebung über mehrere Stunden weiträumig ab, lange Staus waren die Folge.

Die Einsatzkräfte der Feuerwehr mussten gestern noch einen anderen größeren Brand in einem Wohn- und Geschäftshaus in der Chausseestraße in Mitte löschen. Eine Wohnung wurde von Flammen erfasst und brannte lichterloh. Eine verletzte Person wurde ins Krankenhaus gebracht. Das Haus wurde vorübergehend evakuiert.

RICHARD ROTHER