steffen grimberg
: Die Silberflüsterer

„An den Ufern des dunkelgrünen Saquenaystroms im kanadischen Osten bricht sich der lang gezogene Signalruf einer Schiffssirene.“ Ach, Kanada. Endlose Wälder im Indian Summer. „Die schlanke weiße Silver Whisper verlangsamt die Fahrt bis zum Stillstand.“ Wunderbar: Umziehen zum Captain’s Dinner, Kreuzfahrt-Romantik pur. Hingebungsvoll geschildert in der Sonntagsausgabe von Springers Berliner Morgenpost: „Jetzt ist das kompakte Zentrum Bostons mit leuchtenden Wolkenkratzern ein zusätzlicher Blickfang. Während auf dem Luxusschiff Bouillon gereicht wird, ist ein Gedanke an die unbeschreiblichen Strapazen erlaubt, die die damaligen Auswanderer aus Europa in ihren Nuss-Schalen verkraftet haben.“

Solche mitreißende Prosa ist kein Einzelfall: „Sehnsucht, Sünde, Südsee“ überschreibt Springers Welt am Sonntag eine Reise zu den Marquesas, „einer winzigen, noch immer schwer erreichbaren Inselgruppe am Ende der Welt“. – Reiseteile berühmter Blätter, vor allem am Wochenende immer gern gelesene von denen, die sich solche Trips nur auf der Landkarte leisten können.

Der Verlag hingegen lässt sich dererlei hoffentlich etwas kosten. Oder erinnert sich schon keiner mehr an die Springer-„Leitlinien zur Sicherung der journalistsichen Unabhängigkeit“ vom August: „Die Journalisten bei Axel Springer tragen dafür Sorge, dass alle Kosten (Reisekosten, Bewirtungen etc.), die im Zusammenhang mit Recherchen entstehen, grundsätzlich durch die Redaktion übernommen werden.“ Dass dies „beispielsweise auch für die Berichterstattung für den Reiseteil der Zeitung Die Welt“ gelte, hatte der Verlag damals ausdrücklich hinzugefügt.

Das ist nobel. Und sonst höchstens noch bei der Financial Times Deutschland üblich, deren Redakteure an Hotelrezeptionen Verwirrung stiften, weil sie sogar beim Besuch der Jahrespressekonferenz ihres Mutterkonzerns Bertelsmann das Zimmer selbst bezahlen wollen. Im Vergleich dazu ist selbst die taz korrupt.

Wenn’s bei Springer denn aber stimmt, ist endlich klar, woher die Verluste der Welt kommen, die deswegen ja schon länger im redaktionellen Verbund mit den Kreuzfahrern von der Morgenpost erscheint: Die Indian-Summer-Reise zum Beispiel, für die MoPo vom Welt-Kollegen und „besten Hotel-Autor der Welt(Quelle – na ja: Welt) geschrieben, kostet laut Reiseveranstalter Alltours in der günstigsten Kategorie (Vista Suite) schlappe 6.196 Euro ohne Einzelbelegungszuschlag und Flüge über’n großen Teich zum Ausgangshafen.

Und während die Bouillon gereicht wird, sei noch ein Gedanke an die unbeschreiblichen Strapazen der neuen Volontäre im Hause Springer erlaubt, denen jüngst erst das Salär gekürzt wurde.