theater
: Teuflisch grausamer Spaß

Paul wacht auf und sein Alptraum geht weiter. Als der Erfolgsautor (Mathieu Carrière) nach einem Unfall schwer verletzt die Augen aufschlägt, ist er in Gefangenschaft geraten – in einem Häuschen am Ende der Welt, in den Klauen einer Verrückten. Krankenhaus? Aber seine Retterin Annie (Wieslawa Wesolowska) hat doch selbst ein Pflegeexamen. Telefonieren? Wie denn, wenn die Leitung tot ist?

Annie outet sich als Pauls größter Fan, lebt praktisch in seinen Kitschromanen. Schade nur, dass ihr das neue Manuskript so gar nicht gefällt. Paul muss es umschreiben, dafür ist Annie jedes Mittel recht: Sie macht ihn abhängig – von Tabletten und von ihren Launen: Wenn er nicht spurt, gibt es Spülwasser zu trinken, bleibt er artig, ist Annie die Freundlichkeit selbst. Und erinnert sich nur dunkel an damals, als im Altenheim die vielen Leute starben und man die Pflegerin tatsächlich vor Gericht stellte – weshalb doch gleich? Die seltsame Geschichte von Annie und Paul endet auf schlimmstmögliche Weise, obwohl diesmal niemand zu Tode kommt. Zumindest nicht körperlich.

Misery – das Wort kann Elend oder Erbarmen bedeuten. Und beides zusammen. Simon Moores Psychothriller (nach einem Roman von Steven King) stellt die gruselig zugespitzte Frage: Wie lebt es sich mit Realitätsverweigerern, denen man ausgeliefert ist, die die Regeln der Kommunikation brechen und keinen anderen Maßstab kennen als die hermetische Welt in ihrem Innern?

Es macht Spaß, das Zusammenspiel der beiden Akteure zu beobachten: Mathieu Carrière, im Fernsehen so oft der kühle Manipulator, gibt hier das Opfer, das in Angst vor dem fürsorglichen Quälgeist lebt und erst spät subtile Wege der Rache findet. Wieslawa Wesolowska spielt ihren Partner keinesfalls an die Wand, beherrscht aber trotzdem die Szene: Als exaltierte, verträumte, kreuzbiedere und teuflisch grausame Annie darf sie alle Facetten der kranken Schwester ausleben – wie einst Bette Davis in „Baby Jane“.

Frank Müller gelingt eine dichte, durch das Engagement der Schauspieler getragene, stimmige Inszenierung. Nichts für schwache Nerven.

HOLGER MÖHLMANN

„Misery“, Theaterhaus Köln, Klarastr. 53, Tel. 261 11 50, nächste Vorstellungen: 12.-17., 21./22.10., immer 20 Uhr