BEI OPEL HAT DIE KONZERNZENTRALE ZU LANGE AN DER QUALITÄT GESPART
: Billig statt zuverlässig

Es ist wie – fast – immer: Eitle Konzernvorstände fahren ihre Unternehmen an die Wand. Und die dort Beschäftigten müssen für die falschen Entscheidungen ihrer Bosse mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze bluten oder drastische Einkommenseinbußen hinnehmen. Karstadt war das vorletzte Beispiel dafür. Die Automobilindustrie ist das aktuelle. Und für die Entwicklung der ohnehin auf dem Zahnfleisch gehenden Volkswirtschaft in Deutschland letztendlich wohl auch das bedeutendere. Denn sollten tatsächlich – wie jetzt bei General Motors (GM) in Detroit im Gespräch – ganze Automobilbaustandorte in Europa zur Disposition stehen, gehen auch in den betroffenen Kommunen und Regionen und bei den Zulieferfirmen ganz schnell alle Lichter aus. In Deutschland könnte es Rüsselsheim treffen, seit 1862 Standort von Opel.

„Opel, der Zuverlässige!“ Das war einmal. Dass gerade Opel schon seit Jahren mit Absatzproblemen zu kämpfen hat, hängt allerdings direkt mit der umfassenden Abhängigkeit der Automobilbauer vom Main von den Entscheidungen in der Konzernzentrale in Detroit und der Europazentrale von GM in Zürich zusammen. Und mit der gleichfalls oft umfassenden Ignoranz der aus den USA nach Rüsselsheim delegierten Vorstandsvorsitzenden gegenüber der Unternehmenskultur in Deutschland und den Marktgesetzten in Europa. Seit etwa 1990 ging es den „Amis“ nur noch darum, die Produktionskosten bei Opel vor allem durch die Knebelung der Zulieferer nach unten zu drücken: um jeden Preis – auch den der schleichenden Eliminierung der berühmten Legende von der „Zuverlässigkeit“. Mit billigsten Teilen wurden ganze Serien von Autos gebaut, die kaum noch einen Qualitätstest bestanden. Rückrufaktionen ruinierten den Ruf. Die Bosse in Detroit traten spät auf die Notbremse. 2000 sollte es ein Deutscher richten: Carl Peter Forster von BMW. Der startete schnell das Sanierungsprogramm „Olympia“ und sparte bis Ende 2003 rund eine Milliarde Euro ein. Und es wurde wieder „in die Qualität investiert“.

Das zahlte sich aus. Vor allem der neue „Astra“ bekommt heute Bestnoten und schlägt in allen Tests die Konkurrenz. Nur die umfassende europäische Autokrise mit nahezu überall rückläufigen Zulassungszahlen verhinderte bislang den Durchbruch von Opel zurück in die Welt der schwarzen Zahlen. GM trägt auch jetzt wenig dazu bei, dass sich das bald ändern könnte. Zum einen bleibt Opel der US-Markt weiter verschlossen, weil GM die Konkurrenz fürchtet. Zum anderen wird der „Hochlohnstandort“ Deutschland in Detroit schlechtgeredet. Und Opel gleich mit. So schießt man ein Unternehmen – sturmreif.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT