Das Hohelied des Härtefalls

SPD will die Stromkosten der Industrie senken. Neue Sonderregelung soll für großzügige Ausnahmen von der Ökostrom-Förderung sorgen. Grüne distanzieren sich. Streit herrscht auch um die Bezuschussung von Biomasse-Kraftwerken

aus Berlin HANNES KOCH

Die Industrie soll weitere Vergünstigungen bei den Stromkosten erhalten. Dies bei den Verhandlungen um die Öko-Strom-Förderung durchzusetzen ist die Absicht von Teilen der SPD-Bundestagsfraktion. Bei den Grünen stößt das Vorhaben auf Ablehnung.

Ein Beschluss der Fraktionsarbeitsgruppe Energie der SPD sieht vor, dass in Zukunft auch mittelständische Unternehmen in den Genuss geringerer Stromkosten kommen. Die Härtefallregelung des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG), die bisher für knapp 60 Betriebe vor allem der Aluminium- und Chemieindustrie gilt, soll auf kleinere Unternehmen und andere Branchen ausgedehnt werden. Energiepolitiker der SPD wie Michael Müller und Rolf Hempelmann unterstützen diese Position.

Im Rahmen des EEG müssen alle Stromverbraucher eine Umlage zahlen, um den teuren Strom aus regenerativen Quellen zu bezuschussen. Betriebe mit hohem Stromverbrauch ab 100 Gigawattstunden (Milliarden Wattstunden) pro Jahr kommen billiger davon, die Härtefallregelung gewährt ihnen Ausnahmen.

Die SPD will diese Grenze nun möglichst weit senken. Im Gespräch sind Werte zwischen 10 und 60 Gigawattstunden. Der Effekt: Auch große Mittelständler mit hohem Stromverbrauch würden Energiekosten sparen. Außerdem denkt die SPD daran, eine zweite Messgröße der Härtefallregelung zu senken. Bisher zahlen auch Unternehmen eine geringere Einspeisevergütung, wenn sie mindestens 20 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung für Energiekosten aufwenden müssen. Die Grenze soll auf fünf Prozent zurückgenommen werden.

Die grüne Energieexpertin Michaele Hustedt ist von alldem nicht begeistert. „Da kann man nicht aus der Hüfte schießen“, so Hustedt. Während die SPD eine neue Härtefallregelung im Rahmen eines so genannten Vorschaltgesetzes einführen will, halten die Grünen eine intensive Diskussion für notwendig.

Über das Vorschaltgesetz verhandeln gegenwärtig die Fraktionen von SPD und Grünen, weil sich Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) bei der eigentlichen EEG-Novelle nicht einigen können. Die Staatssekretäre Rainer Baake (Umwelt) und Georg Wilhelm Adamowitsch (Wirtschaft) haben bis kommenden Montag Zeit, einen Kompromiss zu finden. Für den Fall, dass das nicht gelingt, hält es Hustedt für möglich, dass die Fraktionen eine begrenzte Vorabregelung in den Bundestag einbringen. Neben der Härtefallregelung geht es dabei um die Förderung der Energieproduktion aus Biomasse – zum Beispiel Holzabfällen – und die Höhe der Einspeisevergütung für Solarstrom. Bei der Biomasse wollen die Grünen auch kleinere Anlagen fördern, während die SPD nur größere und damit effektivere zu unterstützen gedenkt. In Sachen Solarstrom sind sich die Fraktionen einig, dass Energie aus Photovoltaikzellen in Zukunft einer höheren Förderung bedarf. Die Zuschüsse des ausgelaufenen 100.000-Dächer-Programms sollen ersetzt werden.

Bei der eigentlichen EEG-Novelle streiten Trittin und Clement über die Höhe der Einspeisevergütung für Windkraft und die Förderung für Strom aus großen Wasserkraftwerken. Trittin will Kraftwerke über 50 Megawatt Leistung ins EEG einbeziehen, was nicht zuletzt dem Energiekonzern EnBW und seiner Tochter Naturenergie in Baden-Württemberg dient. „Warum sollten wir das tun?“, so Hustedt. Sie sieht nur einen Grund: um die Zustimmung der CDU-FDP-Landesregierung von Ministerpräsident Erwin Teufel zu erkaufen.