Schröder sieht Karsai schon als Sieger

Nach der Wahl in Afghanistan hat die Auszählung der Stimmen noch nicht begonnen, doch für Bundeskanzler Schröder steht beim Besuch in Kabul ein Sieg Karsais bereits fest. Kritik am Zeitpunkt seines Besuches weist Schröder zurück

KABUL dpa/ap/taz ■ Zwei Tage nach der Präsidentenwahl in Afghanistan hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) dem kriegszerstörten Land weitere deutsche Unterstützung zugesagt. Die Wahl sei ein „historischer Durchbruch“ zu mehr Demokratie und mehr Stabilität im Land, sagte der Kanzler gestern bei einem Kurzbesuch in Kabul. „Deutschland will diesen Prozess unterstützen und wird ihn unterstützen.“

Laut Schröder werde die Bundeswehr noch lange in Afghanistan benötigt. Der Kanzler lobte die dortige Arbeit der Bundeswehr: „Dass die Wahl bei aller vereinzelter Kritik ohne nennenswerte Sicherheitsprobleme abgelaufen ist, ist ein großer Erfolg für die Truppe, die Führung der Truppe und ein politischer Erfolg.“ Er habe „großen Respekt vor den jungen Leuten hier“, sagte Schröder bei einem Besuch in Camp Warehouse, wo die meisten deutschen Soldaten stationiert sind. „Ohne deren Tätigkeit wäre das alles nicht möglich gewesen. Es sähe grausam aus in diesem Land.“ Übergangspräsident Hamid Karsai bedankte sich für die „massive“ deutsche Hilfe. In Kabul, Kundus und Faisabad sind gut 2.000 deutsche Soldaten stationiert.

Schröder und Karsai wiesen Kritik von Präsidentschaftskandidaten am Kanzler-Besuch kurz nach der Wahl zurück. Mehrere Amtsbewerber werteten dies als Parteinahme für Karsai. Der Kandidat Abdul Latif Pedram sagte: „Europa sollte den Demokratisierungsprozess unterstützen und nicht einen einzelnen Kandidaten.“ Schröder sagte, er wollte zeigen, dass die Wahl „ein ganz wichtiger Meilenstein“ in der Entwicklung des Landes sei. Karsai sagte, der Vorwurf der Wahlhilfe wäre vielleicht angebracht gewesen, wenn Schröder am vergangenen Donnerstag oder Freitag gekommen wäre.

Schröder rechnet allerdings mit einem Sieg des Favoriten Karsai im ersten Wahlgang. „Ich bin (…) der Auffassung, dass er es schaffen wird, und zwar in der ersten Runde.“ Das Ergebnis soll am 30. Oktober vorliegen.

Die Wahl am Samstag war von Unregelmäßigkeiten überschattet. Trotz Drohungen der Taliban war es aber zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen. Probleme gab es vor allem mit der Tinte, mit der die Daumen der Wähler zur Vermeidung von Mehrfachwahlen markiert werden sollten. Die Tinte erwies sich mancherorts als abwaschbar. Es dauerte einige Stunden, bis Farbstifte ausgetauscht werden konnten. Alle 15 Gegenkandidaten von Präsident Karsai protestierten gegen die Wahl, 14 riefen gar zeitweilig zum Boykott auf. Großen Rückhalt fand dies bei den Wählern allerdings nicht.

Die Wahlbehörde setzte inzwischen eine dreiköpfige internationale Untersuchungskommission ein und bat Kandidaten, bis heute Abend schriftlich ihre Beschwerden einzureichen. Die Auszählung soll morgen beginnen. Noch gestern wurden Wahlurnen zu den acht Zählzentren gebracht. Dort werden die Stimmzettel zunächst gemischt, damit die Ergebnisse einzelner Distrikte geheim bleiben. HAN