Keine Wehrpflicht bei der Polizei

Polizeigewerkschaft lehnt Vorschlag von CSU-Ministerpräsident Stoiber ab: „Beleidigung fürs Berufsbild“

FREIBURG taz ■ „Die Polizei ist kein Taubenschlag für Wehrpflichtige“, erklärte gestern Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er wies damit die Idee von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) zurück, die Wehrpflicht solle künftig auch bei der Polizei abgeleistet werden können.

Konkret schlug Stoiber vor, die Wehrpflicht als „sicherheitspolitische Dienstpflicht“ neu zu definieren. Die Wehrdienstzeit könnte dann wahlweise bei der Bundeswehr, bei der Polizei oder beim Zivil- und Katastrophenschutz abgeleistet werden. Damit könnte einerseits Personalmangel der Polizei ausgeglichen und andererseits die Wehrgerechtigkeit verbessert werden. Derzeit leisten jährlich einige zehntausend taugliche junge Männer keinen Dienst, weil die Bundeswehr keine Verwendung für sie hat.

Die Polizei ist allerdings über das Angebot nicht erfreut. Es sei vielmehr eine „Beleidigung für das polizeiliche Berufsbild“, so Freiberg, wenn die Polizeiaufgaben künftig auch durch Neun-Monats-Einsätze minimal ausgebildeter Wehrpflichtiger erfüllt werden sollten. Aus dem gleichen Grund lehnte auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter sowie der Bundeswehrverband Stoibers Pläne ab.

Eine Verfassungsänderung wäre für eine Polizei-Wehrpflicht nicht unbedingt erforderlich. Schon heute heißt es in Artikel 12a des Grundgesetzes: „Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.“ Nur wenn man die Dienstpflicht auf die Landespolizeien erweitern möchte, müsste das Grundgesetz mit Zweidrittelmehrheit verändert werden.

Ausbauen könnte man allerdings auch eine Ausnahme im Wehrpflichtgesetz, die es schon gibt. Wer im Polizeidienst arbeitet, wird nicht zum Wehrdienst eingezogen, heißt es heute. Pro Jahr machen etwa 1.500 Wehrpflichtige von dieser Regelung Gebrauch. Dabei geht es um voll bezahlte, dauerhafte Polizeitätigkeiten. Die Bestimmung könnte allerdings auch ohne weiteres auf die Ableistung eines neunmonatigen schlecht bezahlten Polizei-Praktikums erweitert werden.

Doch auch das dürfte für die Polizei nicht attraktiv sein. Um die vielen jungen Männer auszubilden, zu verwalten und zu betreuen, bräuchte sie erst einmal tausende zusätzlicher Stellen, die sie nicht hat. Die Zentralstelle für KDV rechnet vor: „Für 50.000 Wehrpflichtige bei der Bundeswehr sind zusätzlich 7.000 Zeitsoldaten und 5.000 Beamte in der Wehrverwaltung nötig.“ CHRISTIAN RATH