Fortbilden, ehe es zu spät ist

Mit einem Qualifizierungsprogramm will die swb Mitarbeiter darauf trimmen, flexibler zu werden und ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Drei Prozent der Belegschaft lassen sich aktivieren

Bremen taz ■ Wenn Unternehmer von „notwendigen Veränderungen“ sprechen, ist das nur allzu oft eine verklausulierte Vorbereitung auf anstehende Entlassungen. Doch Veränderung, sagt Jens Rose vom Bremer Energieversorger swb, könne auch Personal an das Unternehmen binden. Rose ist einer der Väter des Projekts „Neue Arbeit: Leben Lernen“ (Na:ll), das seit Anfang 2004 bei der swb läuft.

Na:ll soll den MitarbeiterInnen im Unternehmen ein neues Denken vermitteln: Es gebe von nun an „keine ruhigen Zeiten“ mehr, so Rose, auch wenn gerade mal keine akute Krise ins Haus stehe. Und wer zukünftig seinen Arbeitsplatz behalten wolle, der müsse flexibler und selbständig aktiv werden – und sich weiterbilden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen sei.

Entstanden ist Na:ll aus dem Projekt „Aktiv in die Zukunft“, das nach der Liberalisierung des Strommarktes aufgelegt wurde. 285 Stellen sollten seinerzeit abgebaut werden, doch statt nur Sozialpläne zu basteln, bot man den Angestellten berufliche Qualifizierungsmaßnahmen an. Das Ergebnis: Bevor über konkrete Entlassungen entschieden wurde, verließen rund 50 Mitarbeiter freiwillig die swb – allerdings nicht unbedingt diejenigen, die hätten gefeuert werden sollen.

Na:ll hingegen diene nicht mehr dem Personalabbau, wie Rita Schwab, Betriebsrätin bei swb-Netze betont. Aus diesem Grunde erfährt das Projekt großes Lob auch aus der Wissenschaft: „Wir haben es hier mit einem innovativen Modell zu tun“, so Thomas Kieselbach vom Institut für Psychologie der Arbeit, Arbeitslosigkeit und Gesundheit an der Uni Bremen, „weil es sich nicht nur auf das kurzfristige Krisenmanagement beschränkt.“ Zwar sei das Konzept meist nur für die großen Unternehmen umsetzbar, doch ein Blick nach Österreich zeige, dass man mit regionalen Lösungen auch ganze Branchen erfassen könne.

Kernstück von Na:ll ist ein Beratungsbus mit dem Namen „Aktiv-Mobil“. Es wird von der Bremer Arbeit GmbH (bag) in Umlauf gebracht, die das vom Bundesbildungsministerium mit 50.000 Euro geförderte Projekt in die Tat umsetzt. In dem Bus sollen die Mitarbeiter Rat und Hilfe finden, um zusammen mit den BeraterInnen der bag neue berufliche Perspektiven zu entwickeln. Da werden nicht nur berufliche Standorte neu bestimmt oder Stärken und Schwächen analysiert. Auch die Selbstvermarktung kann trainiert, Unterstützung bei der Umsetzung eigener beruflicher Ideen eingefordert werden. Sogar eine Ausstiegsberatung steht mit auf der Angebotsliste.

Für die MitarbeiterInnen ist diese Beratung zwar ebenso freiwillig wie kostenlos, so Rose. Doch Eigeninitiative ist gefordert, schließlich müssen die Beschäftigten ihre freie Zeit opfern. Rund 250 Beratungsstunden haben die Trainer der bag 2004 hinter sich, 70 Gespräche haben in dieser Zeit stattgefunden. Damit konnten gerade einmal drei Prozent aller in Frage kommenden MitarbeiterInnen der swb-Gruppe aktiviert werden. Aber schließlich stand das Angebot in diesem Jahr bislang auch nur an 70 Tagen zur Verfügung, gibt Rose zu Bedenken. Maximal vier Stunden lang stand der Info-Bus dann auf dem Werksgelände.

Zwar würden sich nur die besonders engagierten und profilierten unter den Mitarbeitern dem Qualifizierungsprogramm stellen, sagt Rose. Doch die Angst vor deren Abwanderung in andere Unternehmen hält er für unbegründet. Noch kein Angestellter habe gekündigt, nachdem er Na:ll in Anspruch genommen habe. „Wir wollen sie im Unternehmen halten.“ Jedoch sei es für die Mitarbeiter keineswegs selbstverständlich, dass sie dann auch mehr Geld bekämen.

Jan Zier