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Nach den vielversprechenden Darbietungen ihrer Mannschaft in der Qualifikation planen Irlands Fußballfans schon die Reise zur WM 2006

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

„Wenn wir jetzt die Färöer nicht schlagen“, unkte Irlands Mittelstürmer Robbie Keane, „dann war das Unentschieden in Paris vollkommen wertlos.“ Keanes Angst ist nicht unbegründet, in der Vergangenheit haben die irischen Fußballer oft nach einer guten Leistung gegen eine favorisierte Mannschaft im nächsten, vermeintlich leichten Spiel gepatzt und alles zunichte gemacht.

Doch die Mannschaft von heute ist stabiler als ihre Vorgänger, wie die bisherigen Qualifikationsspiele zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland beweisen: ein Unentschieden in der Schweiz, ein deutlicher Heimsieg gegen Zypern, und nun das torlose Unentschieden beim Auswärtsspiel in Frankreich. Streng genommen war es allerdings gar kein Auswärtsspiel. 35.000 irische Fans waren nach Paris gereist, kein anderes europäisches Team wurde bisher von so vielen Anhängern begleitet. Das Gute an den irischen Fans ist ihre Friedfertigkeit. In den Stadien sind keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen nötig, auch nach Niederlagen neigen sie nicht dazu, wie die englischen Schlachtenbummler fremde Städte zu verwüsten. Die Iren trinken höchstens alle Wirtshäuser im Umkreis des Stadions leer.

Henrik Larsen, Trainer der Färöer, weiß, wie wichtig die Fans für die irische Mannschaft sind. „Aber ins Nationalstadium von Toftir passen nur 8.000 Menschen hinein“, sagte er listig. „Den Iren stehen nur zehn Prozent der Eintrittskarten zu.“ Doch das ist noch lange hin, das Rückspiel findet erst im Juni nächsten Jahres statt. Zunächst einmal müssen die Iren das heutige Heimspiel gewinnen. Schießen sie genügend Tore, wären sie wohl bis Ende März Spitzenreiter in der Gruppe 4.

Die Fußballexperten der Grünen Insel glauben, dass die Mannschaft dort auch am Ende der Qualifikation in fast genau einem Jahr stehen könnte. „Die Gruppe kann gewonnen werden“, schrieb der ehemalige irische Nationalspieler John Giles. „Die Leistung gegen Frankreich macht Hoffnung, dass wir nicht daran denken müssen, uns durch die Hintertür über einen zweiten Platz und ein Entscheidungsspiel zu qualifizieren.“ Irland habe gegen Frankreich weit besser gespielt als in der Schweiz, findet Giles. „Dort traten wir auf, als ob ein Unentschieden ein riesiger Triumph wäre“, sage er. „Gegen Frankreich spielte die Mannschaft, als ob sie einen Sieg durchaus für möglich hielt.“

Das lag auch an Mittelfeldspieler Roy Keane von Manchester United. Dass er überhaupt auf dem Rasen stand, ist dem diplomatischen Geschick von Trainer Brian Kerr zu verdanken. Vor zwei Jahren war Keane nach einem Streit mit Kerrs Vorgänger Mick McCarthy noch vor Beginn der Weltmeisterschaft aus Japan abgereist. Kerr konnte den launischen Star zur Rückkehr bewegen. Offenbar hört Keane auf ihn, was viele nicht für möglich gehalten hatten. Ein Trainer wie Kerr, der selbst nur ein mittelmäßiger Spieler war, werde es schwer haben, prophezeiten die Medien.

Der 51-jährige Kerr spielte für Vereine, die außerhalb Irlands niemand kennt: Rialto, Crumlin, Shelbourne. Vor sieben Jahren machte ihn der irische Verband zum Jugendtrainer. 1998 gewann seine U-16-Mannschaft die Europameisterschaft gegen Italien, im selben Jahr siegte seine U-18 im Finale gegen Deutschland. Aus diesen beiden Nachwuchsteams haben elf Spieler den Sprung in die A-Mannschaft geschafft. Und die hat in Paris ihre bisher beste Leistung unter Kerr gebracht. „Das Gerede über den Kampfgeist der Iren gehört der Vergangenheit an“, sagte Kerr zufrieden. „Sicher, wir haben Kampfgeist gezeigt, aber wir haben auch sauber und ordentlich gespielt.“

Frankreichs Robert Pires zeigte sich ebenfalls beeindruckt: „Ein Unentschieden ist kein schlechtes Ergebnis. Die Iren haben eine gute Mannschaft und ein paar herausragende Spieler.“ Dazu beigetragen haben vielleicht auch die ungewöhnlichen Methoden des irischen Coaches zur Hebung der Fitness seiner Spieler. Um die Blessuren von Paris auszukurieren, verordnete er ihnen im Trainingslager Portmarnock ein Bad in der Irischen See: „Obwohl es etwas kalt war, scheint es geholfen zu haben“, ist Brian Kerr überzeugt.