Die Angst, zu verlieren

Die rot-grünen Sozialkürzungen treffen Brandenburg besonders – und vertiefen die Kluft zu den Westländern

BERLIN taz ■ „Mehr Rücksicht auf Ostdeutsche“ forderte der SPD-Ministerpräsident Brandenburgs, Matthias Platzeck, von der Bundesregierung. Doch der Wunsch ist vergeblich: Kürzungen im Sozialsystem wie jetzt durch die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze treffen die Leute in den neuen Bundesländern besonders hart – und dürften für entsprechende Wut auf die rot-grüne Regierung sorgen.

Beispiel Arbeitslosenhilfe: Von der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II sind Ostdeutsche besonders betroffen. Zum einen weil die Erwerbslosigkeit dort besonders hoch ist – in Brandenburg etwa liegt die Arbeitslosenquote bei 18,1 Prozent, in Baden-Württemberg bei 6 Prozent. Aber auch die Struktur der Erwerbslosen ist im Osten anders. Dort gibt es mehr Langzeitarbeitslose, entsprechend mehr Leute auf Arbeitslosenhilfe: In Brandenburg beispielsweise sind 62 Prozent der Erwerbslosen, die Leistungen beziehen, Empfänger von Arbeitslosenhilfe (Alhi). In Baden-Württemberg hingegen nur 37 Prozent. Unter den Alhi-Beziehern in Brandenburg sind etwa die Hälfte Frauen, in Baden-Württemberg nur ein Drittel. Genau diese Milieus der langzeitarbeitslosen Frauen aber sind die Leidtragenden der Hartz-Gesetze: Zum einen wird die Arbeitslosenhilfe künftig auf Sozialhilfeniveau abgesenkt, zum anderen aber auch das Partnereinkommen stärker angerechnet.

Im Klartext: Viele dieser Langzeitarbeitslosen werden ab Mitte nächsten Jahres weniger oder gar keine Leistung mehr bekommen. Hinzu kommt, dass auch in den neuen Bundesländern die Beschäftigungsmaßnahmen heruntergefahren wurden – für viele Erwerbslose, die nur noch auf eine ABM oder einen bezuschussten Job hoffen konnten, sieht die persönliche Zukunft also düster aus.

Die sozialen Einschnitte der rot-grünen Bundespolitik vertiefen den Graben zwischen den reicheren Regionen, meist im Westen, und den ärmeren Gebieten. Laut einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zahlten etwa die Beschäftigten im Land Bayern im Jahr 2001 2,6 Milliarden Euro mehr ein in die Arbeitslosenversicherung, als sie an Mitteln für Arbeitslosengeld und Jobförderung entnahmen. Die Erwerbslosen in Brandenburg hingegen verbrauchten zwei Milliarden Euro mehr, als die Beschäftigten dort an Beiträgen einzahlten. BARBARA DRIBBUSCH