Die Wahl scheint scheißegal

Die Brandenburger haben die Nase von ihrer Regierung in Potsdam voll. Zu viel geht schief oder wird über ihre Köpfe hinweg entschieden

„Viele Wähler blieben lieber zu Hause, als eine andere Partei zu wählen“, meint Politikforscher Frantzke

von DANIEL SCHULZ

Brandenburg wählt nicht. Am Wochenende sollten 2,1 Millionen Brandenburger Gemeindevertretungen, Kreistage und Bürgermeister bestimmen. Aber weniger als die Hälfte taten das auch.

„Besorgnis erregend hoch drei“, nennt der Geschäftsführer des Gemeindebundes Brandenburg, Karl-Ludwig Böttcher, die Wahlbeteiligung von 45 Prozent. Vor allem drei Gründe sind für das Desinteresse an der Wahl ausschlaggebend: die Politik der rot-grünen Bundesregierung, die Gemeindegebietsreform und die misslungenen Großprojekte wie der Lausitzring bei Cottbus, CargoLifter in Brand und die Chipfabrik in Frankfurt (Oder).

Bei den absolvierten Wahlkampfauftritten von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und seinem Stellvertreter und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) spielten bundespolitische Themen stets eine große Rolle. In Brandenburg an der Havel versuchte noch kürzlich Platzeck die Einschnitte bei Renten und Arbeitslosengeld zu entschuldigen. Die dort versammelten Rentner schimpften auf Berlin. „Sie sind ja ganz nett, Herr Platzeck“, rief eine ältere Frau, „aber was die Regierung in Berlin macht, ist eine Schweinerei.“

Dagegen ist schwer anzukommen in einem überalterten Bundesland, das im Schnitt 18,1 Prozent Arbeitslose hat. „Woanders hätten die Menschen deswegen vielleicht noch mehr CDU gewählt“, sagt Jochen Franzke. Er forscht an der Universität Potsdam zur brandenburgischen Kommunalpolitik. „Aber Brandenburg ist Stammland der SPD, viele Wähler blieben lieber zu Hause, als eine andere Partei zu wählen.“

Die Gemeindegebietsreform hat in Brandenburg ebenfalls Wähler verprellt. 1.475 Gemeinden werden zu 416 zusammengelegt – oftmals gegen den Willen der Einwohner, die befürchten, dass ihre lokalen Interessen in den neuen vergrößerten Verwaltungen kein Gehör mehr finden. Im Land gibt es mehr als 200 Beschwerden gegen die Reform. So wurden beispielsweise Gemeinden des Amtes Neuhausen der Stadt Cottbus zugeschlagen, obwohl 95 Prozent der Einwohner dagegen sind. „Ich bin stinksauer“, sagt eine stellvertretende Bürgermeisterin, und Landrat Dieter Friese (SPD) spricht von „üblem Nachgeschmack“. Ein Großteil der 4.900 Neuhausener ging denn auch am Sonntag nicht zur Wahl. „Die Leute sind verunsichert und frustriert“, sagt Kommunalforscher Franzke.

„Sie sind ja ganz nett, Herr Platzeck, aber was die Regierung in Berlin macht, ist eine Schweinerei“

Ähnlich sieht es bei den gescheiterten Großprojekten CargoLifter, Lausitzring und der in der Schwebe hängenden Chipfabrik in Frankfurt (Oder) aus. Milliarden Euro haben Bund und Land in diese Vorhaben gesteckt. CargoLifter ist pleite, der Lausitz-Speedway unrentabel, und im Fall der Chipfabrik fordert der Investor weitere Millionen-Bürgschaften vom Land. Die Brandenburger sprechen ihren Politikern mittlerweile die Kompetenz ab, Arbeitsplätze ins Land zu holen und etwas gegen den gefühlten Stillstand zu tun.

Das allein allerdings erklärt nicht, warum die SPD gegenüber der Kommunalwahl 1998 mehr als 15 Prozent verloren hat, die CDU dagegen sechs Prozent zulegen konnte. Ministerpräsident Matthias Platzeck spricht von einer „Protestwahl“ gegen die Bundespolitik. In Deutschland glauben laut Infratest Dimap nur noch 40 Prozent der Menschen, dass die SPD sozial ausgewogen reformiert. Wären jetzt Bundestagswahlen, würden die Sozialdemokraten auf gerade mal 27 Prozent kommen, die CDU dagegen auf 53 Prozent. Der Bundestrend schlägt in Brandenburg durch.

Aber die SPD hat dort auch eigene Fehler gemacht. Der Partei fehlt ein Programm, das Menschen begeistern könnte. Die Fusion mit Berlin wabert im Ungewissen, Platzeck hat die geplante Vereinigung im Wahlkampf nicht angesprochen. Stattdessen schrieb und redete er über die guten Aspekte der untergegangenen DDR. Darüber hinaus verkauft die CDU ihr Personal besser. Sogar die PDS-Landtagsabgeordnete Petra Faderl glaubt, dass die CDU „eindeutig kompetentere Minister“ hat. Forscher Jochen Frantzke sagt: „Lange war die CDU nicht vorzeigbar. Aber inzwischen haben die mit Schönbohm eine starke Führungsfigur. Das hat die SPD bis heute nicht verkraftet.“ Seit 13 Jahren regieren die Sozialdemokraten in Brandenburg. 2004 sind Landtagswahlen.