MIT REGINE HILDEBRANDT ALS IKONE VERLIERT PLATZECK DIE NÄCHSTE WAHL
: Kalter Wind in der Wärmestube

Entgegen seinem Image als smarter, gummibestiefelter Nachwuchspolitiker ist Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck durchaus zu deutlichen Worten fähig. Vor allem verspricht er nicht, was er nicht halten kann – das ist ungewöhnlich für die märkische SPD. Die beiden Denkmäler der dortigen Sozialdemokratie, Manfred Stolpe und die vor zwei Jahren verstorbene Regine Hildebrandt, haben ihren Mythos gerade darauf begründet. Der Altministerpräsident und seine Sozialministerin haben ihre Schäfchen stets in dem Glauben bekräftigt, sie seien dem rauhen Wind der Marktwirtschaft nicht ganz so ungeschützt ausgeliefert wie der Rest der Republik. Er sprach von der „kleinen DDR“, sie überzog das Land mit ABM und SAM und gab so recht die Mutter der brandenburgischen Nation.

Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Schaden haben die beiden dabei nicht unbedingt angerichtet: In Brandenburg sieht es so katastrophal aus wie in Meck-Pomm oder Sachsen-Anhalt – und nicht schlimmer. Aber die beiden haben mit ihrer Wärmestuben-Rethorik dafür gesorgt, dass das Entsetzen über Agenda 2010, Rentenkürzungen oder Gesundheitsreform in Brandenburg besonders groß ist. Und also auch die Enttäuschung über die Sozialdemokratie. Als Stephan Hilsberg, Mitbegründer der Ost-SPD, darauf gestern hinwies, erregte er gleich den Zorn seiner Genossen.

Die allerdings werden um das trostlose Geschäft, ihre verstorbene Ikone sowie den als Verkehrsminister wackelnden Exlandesvater vom Sockel zu stoßen, nicht herumkommen. Für Platzeck wird das deshalb knifflig, weil er eine offene Distanzierung von der Politik seiner Vorgänger bisher vermieden hat. Nur den verdrucksten Hinweis, die Nachwendezeit sei inzwischen vorbei, erlaubte er sich. Und so beerdigt er weiter Stolpes unsinnige Industrieprojekte, erklärt streikenden Arbeitern, wieso der Staat ihre Betriebe doch nicht retten kann – und saniert politische Altlasten, die er nicht verursacht hat. Vor der spannendsten Landtagswahl seiner Geschichte steht Brandenburg im nächsten Jahr nur deshalb, weil die märkische CDU unter dem Mantel der Geschlossenheit derzeit so zerstritten ist wie eh und je. HEIKE HOLDINGHAUSEN