„Ein deutscher Haider ist derzeit nicht in Sicht!“

Selbst wenn die Rechten eine gemeinsame Liste aufstellen, schaffen sie es schwerlich in den Bundestag, sagt Parteienforscher Oskar Niedermayer

taz: Herr Niedermayer, die NPD und die DVU wollen nach den Erfolgen im Osten gemeinsam zur nächsten Bundestagswahl antreten. Schaffen es die Rechten ins Parlament?

Oskar Niedermayer: Sollten es die beiden Parteien wirklich hinbekommen, eine gemeinsame Liste aufzustellen, dann würde das ihre Chancen deutlich verbessern. Dennoch glaube ich nicht, dass eine gemeinsame Liste über die Fünfprozenthürde kommen würde.

Wie hoch schätzen Sie das rechte Wählerpotenzial?

Das ist schwer zu sagen, weil in Umfragen einige Leute nicht zugeben, rechts wählen zu wollen. Ich schätze den Anteil derjenigen, die sich unter Umständen vorstellen könnten, rechts zu wählen, auf etwa 10 Prozent.

Und wie können Sie nach den Wahlerfolgen in Brandenburg und Sachsen so sicher sein, dass diese 10 Prozent nicht rechts wählen?

Im Osten gab es durch Hartz IV und die Wahlabsprache zwischen DVU und NPD ideale Bedingungen. Und in Sachsen herrscht eine einmalige Sondersituation. Die NPD hat erhebliche Anstrengungen unternommen, dort gut organisiert zu sein, ihre Kandidaten kommen inzwischen aus der Mitte der Gesellschaft, sie wird von vielen Leuten als normale demokratische Partei angesehen, und es ist ihr gelungen, sich ein gewisses Stammwählerpotenzial zu schaffen. Das gibt es so in Deutschland kein zweites Mal.

Im Saarland bekam die NPD immerhin 4 Prozent.

Dort hat sie auch erheblich in den Wahlkampf investiert. Der Vorsitzende Udo Voigt hat für den Posten des Oberbürgermeisters kandidiert, und dementsprechend groß war auch die Medienaufmerksamkeit. So etwas kann die NPD bundesweit niemals leisten.

Aber sie könnte dies mit dem Geld der DVU, oder?

Theoretisch könnte sie das, aber Finanzkraft allein reicht auch nicht. Um bundesweit die Fünfprozenthürde zu überspringen, müssen noch andere Voraussetzungen erfüllt sein.

Welche?

Genau drei. Die erste ist Geschlossenheit, das heißt alle rechten Parteien müssten unter einem Label antreten. Das ist schon deshalb nicht gegeben, weil die „Republikaner“ nicht mitmachen wollen. Zweitens müsste es ein personelles Angebot geben, das über die rechtsextreme Hardcoreklientel hinausreicht und auch den rechten Rand des bürgerlichen Lagers mitnimmt. Aber einen deutschen Haider gibt es nicht.

Die Rechten brauchen einen Roland Schill?

Ja. Das Original ist allerdings fertig, und ein ähnlich begabter Populist ist derzeit nicht in Sicht. Und als dritte Voraussetzung für Wahlerfolge brauchen die Rechten immer ein starkes Mobilisierungsthema. Das wird zur Bundestagswahl 2006 nicht mehr Hartz IV sein, und ob es einen neuen Aufreger mit derartiger Zugkraft gibt, ist mehr als fraglich. Als einziges Kriterium wäre also eventuell das der Einheit erfüllt, und das reicht nicht.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ