Erst verschulden, dann bilden

Bildungskrediten gehöre die Zukunft, sagen Investmentberater. Wie sollten die Studenten sonst die hohen Gebührenfür die Uni bezahlen, die sie dereinst erwarten? Bis der Markt für Bildung so weit ist, dauert es aber noch ein bisschen

aus Berlin HANNES KOCH

Ein Blick in die Zukunft: Im Jahr 2015 will Ihre heute dreijährige Tochter Produktdesign an einer staatlichen Universität studieren. Pro Semester erhebt die Hochschule eine Studiengebühr von 4.000 Euro. Dieses Geld haben weder Sie noch Ihre Tochter.

Was also tun? Ihre Tochter geht zur Bank und besorgt sich einen Bildungskredit. Gegen sieben Prozent Jahreszins übernimmt das Institut gerne die Studienkosten – aber nur, weil Rating-Firmen der betreffenden Uni eine hohe Qualität bescheinigen und die Berufsaussichten für Produktdesigner gut sind.

Derartige Szenarien entwirft Leander Hollweg von der Knowledge One Fonds AG (K1F) aus Hamburg. Die Firma betreibt einen Investmentfonds, in dem unter anderem Aktien von Bildungsunternehmen zusammengefasst sind, die vornehmlich aus den USA stammen. Gestern trat Hollweg vor die Öffentlichkeit, um geschäftstüchtig zu mahnen: „Wir müssen uns auf die Zukunft einstellen.“

In der von K1F präsentierten Variante entsprechen diese Aussichten zunächst einmal den Interessen von Finanzdienstleistern. „Neue Instrumente zur Finanzierung von Bildung müssen entwickelt werden“, lautete gestern eine zentrale Botschaft für die Bildungsökonomie der Zukunft. Dazu gehören zum Beispiel Bildungskredite, die es heute auf dem privaten Markt noch nicht gibt – auch in dieser Form nicht geben muss, denn Hochschulbildung ist noch überwiegend Sache der öffentlichen Hand und deshalb kostenlos.

Doch der Bildungssektor ist im Umbruch. Die öffentlichen Dienstleistungen stehen unter dem Druck zur Liberalisierung und Privatisierung. Zum einen dehnen private Anbieter ihren Markt aus. Im Rahmen der internationalen Verhandlungen um das Dienstleistungsabkommen Gats fordern Weiterbildungsfirmen aus Großbritannien und Australien den ungehinderten Zugang zum deutschen Bildungssektor. Solche Unternehmen bieten etwa Sprach- und Computerkurse an, mit deren Hilfe Arbeitnehmer ihre Kenntnisse auf dem jeweils neuesten Stand halten können. Zum anderen „werden die Individuen einen größeren Anteil an den Kosten der Bildung übernehmen müssen“, sagt Dieter Timmermann, der Rektor der Universität Bielefeld. Er leitet die „Expertenkommission Finanzierung lebenslangen Lernens“ der rot-grünen Bundesregierung.

In den USA mit ihrem stärker privat ausgerichteten Bildungssystem sind Kredite schon üblich. Die bekommen Studenten von Elite-Unis wie Harvard oder Stanford. Denn bei denen können die privaten Banken einigermaßen sicher sein, dass sie das Geld dank gut dotierter Jobs später auch zurückzahlen können. In Deutschland trauen sich die Banken an derartige Finanzierungen nicht heran, weil sie keine ausreichende Sicherheit erhalten. Das werde noch mindestens zehn Jahre so bleiben, schätzt Rektor Timmermann. Wenn nach 2010 aber Studiengebühren gang und gäbe seien, sehe die Lage anders aus.

Ob das alles wirklich so kommt, ist umstritten. Nicht nur die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft befürchtet soziale Auslese unter Schülern und Studenten mittels Marktmechanismen, auch die Globalisierungskritiker von Attac progagieren: „Bildung ist keine Ware.“

Wer nicht glaubt, dass diese Kritik den Lauf der Welt aufhält, sollte sich zusätzliche Gedanken machen, wie die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren ist. „Bildungssparen“ lautet das Stichwort. Noch gibt es keine speziellen Bankprodukte, die auf die Bedürfnisse der zukünftigen Studenten zugeschnitten wären. Auch da werde sich etwas tun, sagt Dienstleister Hollweg.