UNO wäscht weißer

Im UN-Abschlussbericht zur Ausplünderung des Kongo bekommen Kriegsgewinnler Persilscheine. Das Kapitel zur aktuellen Lage ist Verschlusssache

Wie konnten sich die vor einem Jahr erhobenen Vorwürfe in Luft auflösen?

von DOMINIC JOHNSON

Die UNO hält die wichtigsten Ergebnisse ihrer jüngsten Recherchen zu Kongos Kriegswirtschaft unter Verschluss. In der gestern veröffentlichten Version des Abschlussberichts einer Untersuchungskommission zur Ausplünderung der natürlichen Ressourcen des Kongo ist das Kapitel zur derzeitigen Lage gestrichen worden. An seiner Stelle finden sich ein paar Allgemeinplätze.

Das vollständige Kapitel V wird lediglich dem Sicherheitsrat vorgelegt, der morgen in geschlossener Sitzung berät. Darin stehen nach Auskunft gut informierter Kreise Einzelheiten über fortdauernde Geschäftsbeziehungen zwischen Ruanda, ehemals wichtigster Unterstützer kongolesischer Rebellen, und kongolesischen Politikern, die dem laufenden Friedensprozess skeptisch gegenüberstehen. Nach Informationen der taz wurde dieses Kapitel vom UN-Generalsekretariat unter Kofi Annan aus dem Bericht entfernt, der ihm bereits am 15. Oktober vorlag. Grund für die „Zensur“, so Kritiker, sei die Sorge, der Friedensprozess könnte zusammenbrechen. Eine Gruppe von 15 Nichtregierungsorganisationen forderte den Sicherheitsrat am Montag auf, die unterdrückten Informationen wenigstens dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs zu übermitteln. Der erwägt derzeit, im Falle Kongo aktiv zu werden. Beihilfe zu Kriegsverbrechen, einschließlich der Finanzierung, fällt in seine Zuständigkeit.

Die Zensur ist ein trauriges Ende für die Arbeit des „UN-Expertenpanels über die illegale Ausbeutung von natürlichen Reichtümern und anderen Formen des Wohlstands in der Demokratischen Republik Kongo“, die der UN-Sicherheitsrat am 2. Juni 2000 einrichtete, um Berichten nachzugehen, wonach sich die im Kongo kämpfenden ausländischen Armeen an Rohstoffen bereicherten. In drei Berichten zwischen April 2001 und Oktober 2002 hat das Panel Mechanismen, Verantwortliche und Profiteure benannt. Der letzte Bericht vom 16. Oktober 2002 empfahl Strafmaßnahmen gegen 29 afrikanische und belgische Firmen und 54 Einzelpersonen. 85 Unternehmen aus aller Welt hätten im Kongo die freiwilligen OECD-Richtlinien zum Verhalten multinationaler Unternehmen verletzt, hieß es weiter.

Zu diesen 85 gehörte die deutsche Bayer-Tochter H. C. Starck, führend in der Verarbeitung des Erzes Coltan (Columbit-Tantalit). Der Coltanexport war 2000/01 die Haupteinnahmequelle der von Ruanda unterstützten Rebellen im Osten Kongos. Starck soll zeitweise bis zu 80 Prozent des kongolesischen Coltans abgenommen haben, kauft allerdings nach eigenen Angaben seit August 2001 keines mehr.

Im Abschlussbericht steht Starck mit 47 weiteren Unternehmen auf einer Liste von Firmen, deren Fälle jetzt „geklärt“ seien – ohne nähere Begründung. Der Kommission nahe stehende Kreise stellen diese Liste als Ergebnis diplomatischen Drucks dar. Tatsächlich war die Beweislage für manche früheren Vorwürfe dürftig. Doch im Abschlussbericht fehlt nicht nur jeder Hinweis darauf, wer heute eigentlich noch im Kongo verdächtige Geschäfte macht. Es wird auch nicht im Einzelnen gesagt, wie sich die vor einem Jahr erhobenen Vorwürfe plötzlich mehrheitlich in Luft auflösen konnten. Starcks Rückzug aus dem Geschäft lässt sich schließlich nicht verallgemeinern, und Kritiker werfen der Firma vor, über Drittländer weiterhin Geschäfte in der Region zu führen.

Der Mangel an Transparenz verhindert eine Diskussion darüber, welche Geschäftspraktiken akzeptabel sind und welche nicht. „Eine Masse von Befunden und keine Konsequenzen“ sei das Ergebnis, sagt ein Beobachter.

Die Arbeit der Kommission ist jetzt abgeschlossen. Ihr Mandat läuft am 31. Oktober aus. Offen bleibt, was mit den nicht „geklärten“ Fällen passiert. Elf Unternehmen – darunter die deutsche „KHA Masingiro“ des im Ostkongo aktiven deutschen Bergbaubesitzers Karl-Heinz Albers – sollen von den nationalen OECD-Kontaktstellen in den jeweiligen Ländern untersucht werden. „Das müssen wir uns in Ruhe ansehen“, sagt Tilman Braun von der deutschen Kontaktstelle, die im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt ist.

H. C. Starck, einstiger Buhmann, hält nun eine Rückkehr in den Kongo für möglich, wenn „der Markt interessant“ ist, wie Firmensprecher Manfred Bütefisch sagt. Man brauche nur eine Bestätigung seitens der Bundesregierung, „dass man da wieder bedenkenlos kaufen kann“. Gespräche darüber seien geplant.

Schließlich sitzen Kongos Kriegsparteien heute gemeinsam in einer Regierung und haben ein gemeinsames Interesse daran, Geld zu verdienen. Für Kongos Wiederaufbau empfiehlt das UN-Panel die Zerschlagung der großen staatlichen Bergbauunternehmen Gécamines und Miba sowie die Anwerbung von Großinvestoren.