unionskampagne
: Lieber Türk als Pfaff

Weit davon entfernt, eine machtvolle politische Mobilisierung einzuleiten, hat die Initiative von CSU-Mann Michael Glos für eine Unterschriftenaktion gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei nur für Irrnis und Wirrnis in den christdemokratischen Reihen gesorgt. Glos hatte bei seinem Vorstoß die erfolgreiche Unterschriftenkampagne im Auge, mit der Roland Koch 1999 in Hessen gegen das Projekt der doppelten Staatsbürgerschaft vorgegangen war. Damals war seinem behäbigen, honoratiorendominierten CDU-Verein nicht zugetraut worden, ein solch kräftezehrendes, die Mitgliedschaft in Anspruch nehmendes Manöver überhaupt in Szene zu setzen. Ein Irrtum. Was 1999 gelang, wird allerdings 2004 scheitern.

KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER

Kochs Mobilisierungsstrategie hatte einen festen Zeithorizont. Was er an rechtem Bodensatz aufgewühlt hatte, ließ sich unmittelbar in einen institutionellen Rahmen, die hessischen Landtagswahlen, überführen. Kochs Sieg bei diesen Wahlen wiederum übersetzte sich in ein verändertes Kräfteverhältnis im Bundesrat. Damit war der Rückbezug auf das Gesetzgebungsverfahren gesichert und die Mobilisierung hatte ihr Ziel erreicht.

Die Initiative von Glos hingegen hängt in der Luft. Selbst wenn sie in Deutschland einen Sturm entfachte, in Brüssel, wo mit der Türkei verhandelt wird, käme nur ein Luftzug an. Und von dem wäre, in Anbetracht mehrjähriger Verhandlungen, bald nichts mehr zu spüren.

Kein Wunder, dass von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel nur ein mattes Echo auf Glos’ Vorstoß zu hören war. „Man könne durchaus überlegen“, war ihre Antwort, man könne auf die Unterschriftenaktion zurückkommen, wenn seitens der Regierung nicht klargestellt würde, dass die Brüsseler Verhandlungen „ergebnisoffen“ seien. Mit solchen Kautelen im Kopf, mit solchem „wenn, dann …“ lässt sich eine schwungvolle rechtspopulistische Kampagne auf keinen Fall lostreten. Aber das war auch nicht der Sinn. Merkel will nach zwei Seiten taktisch besänftigen. Der CSU signalisiert sie grundsätzliche Übereinstimmung, den CDU-Granden mit ihren „unguten Gefühlen“ und „Bauchschmerzen“ aber bedeutet sie, aus diesem Grundsatz wird nichts Praktisches folgen.

Was bleibt, ist ein Legitimationsgewinn für rechtsradikale und rassistische Positionen gegenüber den Türken. Angesichts dieser Folge christlichen Manövrierens möchte man in den alten Schlachtruf einstimmen: „Lieber Türk als Pfaff!“