Merz lässt Merkel hinter sich

Überraschend kündigt Friedrich Merz seinen Rückzug aus der Fraktions- und Parteispitze der CDU an. Der Erfinder der Bierdeckelsteuer will wieder als Anwalt tätig sein – bleibt aber im Bundestag

BERLIN taz ■ „Liebe Angela“, schrieb Friedrich Merz gestern in einem Abschiedsbrief. Das war geschwindelt. Die Wahrheit verbirgt sich in der Eröffnungsformel an die „Sehr geehrte Frau Vorsitzende“ – seine Intimfeindin. Seit ihn CDU-Chefin Merkel nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 von der Fraktionsspitze verdrängte, waren sich der Briloner Katholik und die ostdeutsche Protestantin spinnefeind. Jetzt kündigte Merz an, alle Partei- und Fraktionsämter hinzuschmeißen. Ob er es wahrmacht, muss sich zeigen. Die rhetorisch schärfste Waffe der Union hatte bereits mehrfach ihren Rückzug bekannt gegeben.

Gestern bedauerte das politische Berlin den Abgang des Rechtsanwalts, der sich auf seine Tätigkeit in einer Kölner Kanzlei konzentrieren wolle. „Bei allen menschlichen Schwierigkeiten, die wir haben“, sagte etwa Horst Seehofer (CSU), „ist das fachlich ein ganz herber Verlust.“ CSU-General Markus Söder riet der CDU gar, den „Top-Politiker“ zu halten. Gerade die CSU-Elogen allerdings klingen falsch. Denn die soziale Unionsschwester aus Bayern ist es, die Merz die schwersten Niederlagen zufügte.

Ohne die Absprache mit dem gescheiterten Kanzlerkandidaten von 2002, Edmund Stoiber (CSU), hätte Angela Merkel Merz nicht in der Fraktion ablösen können. Die CSU war es auch, die aus dem „Bierdeckel-Konzept“ eines supersimplen neuen Steuerkonzepts ein hübsches Projekt für den Sankt-Nimmerleins-Tag machte. Merz wollte eine so genannte Flat Tax mit drei Steuerstufen, die beinahe keine Vergünstigungen mehr kennen sollte. Die CSU nötigte Merz auf, das Progressionsprinzip „Je mehr Einkommen, desto mehr Steuern“ zu schlucken. Für den bekennend kompromisslosen Merz ein bittere Niederlage.

Auch der jetzige Rückzug Merz’ dürfte nicht schmerzfrei erfolgen. Galt der Finanzexperte doch bereits 1998 als Hoffnungsträger der Union, damals 43-jährig. Wenn der schlanke Anwalt ans Rednerpult im Bundestag trat, wurde es lustig – und schmerzlich für die Finanzminister von Rot-Grün. Als Merz 2000 den Fraktionsvorsitz übernahm, kam es regelmäßig zu Pannen. Legendär wurde Merz, als er sich im Tagesspiegel das Image des 68er-Protestlers vom Lande zu geben versuchte. Mit langen Haaren, Bier und Zigaretten habe er in Brilon auf die Pauke gehauen. Seinem Motto von damals blieb er stets treu. „Ich war ein Typ, der sich nicht hat leiten lassen.“ CHRISTIAN FÜLLER

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