Notaufnahme vor dem Rathaus

Gegen die Abwicklung des 1. Frauenhauses halten Unterstützerinnen vor dem Regierungssitz eine Mahnwache ab. Hamburger Polizisten unterstützen die für mehrere Tage geplante Protestaktion. Sozialausschuss plant öffentliche Anhörung

Von Jennifer Neufend

„Erst Gewalt gegen Frauen abschaffen, dann die Frauenhäuser“ steht an einem Zelt, das seit gestern vor dem Rathaus aufgebaut ist. „Einige Frauen werden hier übernachten“, sagt Verena Roller-Lawrence vom 4. Frauenhaus. Auch wenn das Zelt nur als symbolische „Notaufnahme für Frauen in Not“ dient.

Rund 30 Mitarbeiterinnen und Unterstützerinnen der Hamburger Frauenhäuser halten seit gestern vor dem Rathaus eine Mahnwache ab – auch nachts. Bis mindestens Freitag wollen sie präsent sein, um gegen die Schließung des 1. Hauses zu protestieren. Die vom CDU-Senat verfügte Räumung bis 31. Oktober betreffe jährlich hunderte Frauen, warnt Helferin Roller-Lawrence – suchen doch bislang rund 450 Gewaltopfer jährlich in dem 44-Plätze-Haus Schutz. Auch die übrigen fünf Häuser seien mit insgesamt 163 Plätzen zu mehr als Hundert Prozent ausgelastet.

Der CDU-Senat seinerseits begründet den Abwickelbeschluss mit Sparzwang. Zudem soll die 2003 gegründete Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt und das neue Aufnahmeverbot für abgelehnte Asylbewerberinnen Entlastung bringen.

Ganz anderer Meinung sind da die Mitarbeiterinnen der Fluchtstätten: Abgelehnte Asylbewerberinnen machten nur einen sehr geringen Teil der Bewohnerinnen aus. Und die nur beratende Interventionsstelle könne nicht das Angebot der Frauenhäuser ersetzen, warnt Roller-Lawrence: „Die Frauen, die dort Hilfe suchen, befinden sich nicht in der gleichen Situation wie Frauen, die ins Frauenhaus kommen.“

Wer um sein Leben fürchten muss, dem nütze es nichts, sich etwa über rechtliche Möglichkeiten beraten zu lassen, wie der Gewalt zu entkommen ist. Die einzige Chance sei da Anonymität und Flucht in einen geheimen Schutzraum. Dieser Meinung sind auch Hamburger Polizisten. Häufig sind sie es, die von Nachbarn oder den Betroffenen selbst zu Hilfe gerufen werden und Bedrohte ins Frauenhaus bringen. Seit zwei Jahren erlaubt ihnen das Gesetz auch, gewalttätige Partner auf Bitten der Opfer der Wohnung zu verweisen. Doch diese Möglichkeit „stellt für viele Betroffene nicht wirklich den Schritt dar, aus den alten Lebensumständen entfliehen zu können“, sagt André Bunkowsky von der Hamburger Gewerkschaft der Polizei.

Die Schließung des 1. Hauses „führt zu einer deutlichen Minderung des Platzangebotes“, rügt der Beamte, und stelle für die Polizei „die Schlechterstellung einer wichtigen Handlungsalternative dar“. Für sie sei „das Thema“ erledigt, sobald eine Frau in einer der Fluchtstätten unterkomme. „Wir wissen sie dort ja in guten Händen.“ Trotz Platzreduzierung habe die Regierung kein alternatives Konzept, moniert Bunkowsky: „Sie geht einfach davon aus, dass es besser wird.“

Dass die Frauenhäuser in einem seit 27 Jahren bewährten Netzwerk aus Behörden und Polizei kooperieren, um Frauen und ihren Kindern eine Perspektive zu bieten, betonen auch mehr als 460 JuristInnen in ihrem aktuellen Appell „Das 1. Frauenhaus muss bleiben!“ Und auch die rot-grüne Opposition erneuerte gestern ihre Forderung, das 1. Haus zu erhalten. „Die Schließung ist verantwortungslos“, rügte Petra Brinkmann von der SPD. Der Senat „lässt misshandelte Frauen mutwillig allein“, warnte auch GALierin Verena Lappe, „und er zerstört ein gutes Angebot“.

Jetzt hoffen die UnterstützerInnen, dass den Senat die Mahnwache vor seiner Tür zum Umdenken bewegt.