ein gelungener untenrumfilm von HARTMUT EL KURDI
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Letzten Monat besuchte ich Frau Abelein in der Schweiz. Frau Abelein ist Schauspielerin und eine gute dazu. Sie ist am Baseler Theater engagiert, aber wie im darstellenden Gewerbe so üblich, übernimmt sie, wenn gewünscht, auch gerne mal eine kleine Filmrolle. Und so kam es, dass Frau Abelein mich fragte, ob ich sie nicht zur Premiere eines solchen, von ihr bespielten Filmes begleiten wolle. Ich wollte. Frau Abelein schmunzelte. Ich fragte nicht, warum.

Als wir abends kein Kino, sondern das Baseler „Hilton“ betraten und Frau Abelein sich dann auch noch an der Rezeption erkundigte, wo denn hier der Gynäkologen-Kongress tage, ahnte ich, dass ich gleich Zeuge von etwas ganz Großem werden würde. Wir fuhren mit dem Fahrstuhl ins Untergeschoss, die Tür öffnete sich und wir blickten auf den Werbestand eines Pharma-Unternehmens, an dem man sich über eine neue hormonreduzierte Antibaby-Pille mit dem knalligen Namen „Yasmin – What a feeling!“ und das 3-D-Ultraschall-Gerät „Echoworld“ informieren konnte. „Super“, flüsterte ich Frau Abelein zu, „endlich ist die Eventkultur auch in den Gebärmüttern und Eierstöcken angekommen!“

In diesem Moment wurde zum Film gerufen. Wir zwängten uns in den vollen Vorführungsraum, und schon ging’s los: Gitarrenmusik erklang, man sah Basel aus der Vogelperspektive, dann wurde der Titel eingeblendet: „SCHWANGER … WAS NUN?“ Frau Abelein grinste entspannt. Es handelte sich um einen Info-Film für Schwangere, entstanden unter der Regie von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Wolfgang Holzgreve, dem Chefarzt der Universitäts-Frauen-Klinik, einem Mann, der offensichtlich nur aus Versehen in die Frauenheilkunde hineingeschlittert war – seine eigentliche Bestimmung hingegen schien – ganz klar – die Kinematografie zu sein!

Außer Frau Abelein waren alle Darstellerinnen Laien, echte Schweizer Gebärende, die sich – so die Rahmenhandlung des Films – nach der Geburt in einem Café treffen und dort bei Kaffeekuchen Details ihrer Schwangerschaft austauschen. Diese in charmant-huschigen Rückblenden erzählten dokumentarischen Episoden zeigten von der geplatzten Fruchtblase bis zum blutigen Kaiserschnitt alle Freuden und Komplikationen der Babyproduktion. Frau Abelein musste als Einzige lügen und eine monströse postnatale Depression improvisieren, was ihr aber trotz der fehlenden Erfahrung so herzergreifend authentisch gelang, dass ich versucht war, ein Stück näher zu rutschen, ihre Hand zu ergreifen und ein paar tröstende Worte zu sprechen.

Ansonsten herrschte Partystimmung im Saal. Jede auf der Leinwand erscheinende dickbäuchige Darstellerin wurde von ihrem mitgebrachten Fan-Club mit lautem Johlen begrüßt, und auch die mitspielenden Ärzte produzierten bei ihren Mitarbeitern cheerleaderartige Begeisterungsstürme.

Selten habe ich mich bei einem Film so bombig amüsiert. Vor allem, als dem sichtlich kurz vor der Stolz-Explosion stehenden Dr. Holzgreve beim Schlussapplaus ein Plastik-Oscar überreicht wurde. Von seiner Gynäkologen-Kollegin Prof. Dr. Irene Hösli. Was soll man da noch sagen? Danke!