Schifffahrtsbranche bringt die Krise in Seenot

Werften verlieren Aufträge für 1,5 Milliarden. Auf der Maritimen Konferenz herrschen Durchhalteparolen

ROSTOCK taz ■ Der grenzenlose Optimismus von früher ist verflogen. Auf der sechsten Nationalen Maritimen Konferenz in Rostock beherrschten Durchhalteparolen die Debatte. „Wir müssen auch über unsere Stärken sprechen“, beschwor Dagmar Wöhrl (CSU), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und Maritime Koordinatorin der Bundesregierung, die mehr als 1.000 Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Verbänden in der Kongresshalle der Hansestadt zum Konferenzauftakt am Montagmorgen.

Das hatte auf der Vorgängerkonferenz im Dezember 2006 in Hamburg noch ganz anders geklungen. War damals die Rede von schwindelerregenden Wachstumsprognosen im Hafenumschlag, von satten Frachtraten, von deutschen Spitzenpositionen im Schiffbau, bei den Containerverkehren oder in der Offshore-Windenergie, so lautet nun das Motto in Rostock: „Wir müssen den maritimen Kompass neu justieren“, so Karin Roth (SPD), Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium. Eine strukturelle Krise der Branche mag niemand erkennen, dafür hat die Wirtschaftskrise sie heftig erwischt. Von „zyklischem Abschwung“ oder „konjunktureller Seitwärtsbewegung“ ist in den Workshops zu hören, Metaphern wie „stürmische See“ oder „Schlechtwetterfront“ lassen sich nicht vermeiden.

Bei den deutschen Werften wurden seit September vorigen Jahres Aufträge im Wert von 1,5 Milliarden Euro storniert, etwa 26 weitere Aufträge für rund 1,2 Milliarden Euro stehen auf der Kippe. „Wir leben von unserem Auftragsbestand“, sagte Herbert Aly, Vorstand der Hamburger ThyssenKrupp Marine Systems AG (Hamburg). Noch seien die meisten Werften für etwa zwei Jahre ausgelastet, aber Kurzarbeit und auch Arbeitsplatzabbau seien auf Dauer gesehen kein Tabuthema mehr im Schiffbau, der zurzeit noch etwa 20.000 Menschen beschäftigt. Gleichwohl betont nicht nur Wöhrl die Chancen der Krise. „Wir müssen jetzt Kurs halten“, verlangt etwa Klaus-Dieter Peters, Chef des größten deutschen Hafenbetriebes Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Die deutsche Hafenwirtschaft werde binnen drei Jahren etwa 3 Milliarden Euro in die Häfen investieren, kündigte er an. Die Unternehmen seien sicher, „dass die internationalen Warenströme sich strukturell nicht ändern werden“. Und da 90 Prozent des Welthandels mit Schiffen erfolgt, müsse „die Atempause“ genutzt werden, um für den Aufschwung gerüstet zu sein.

Und dazu gehörten die rasche Ausbaggerung von Elbe und Weser, der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals, auf dem jetzt schon mehr Schiffe fahren als auf Suez- und Panama-Kanal zusammen, sowie der Ausbau von Straßen- und Schienenverbindungen von den Hafenstädten zum Rest des Landes. Dafür gibt es 24 Milliarden Euro vom Bund, so der Entwurf eines Hafenkonzeptes des Verkehrsministeriums. Denn wenn die Konjunkturdelle überwunden sei, kündigte Roth an, „wollen wir auch die Engpässe beseitigt haben“. SVEN-MICHAEL VEIT