Elf russische Bergleute gerettet

Bei dem Unglück in Nowoschachtinsk kommt ein Kumpel ums Leben, einer wird vermisst. Im Fernen Osten Russlands sterben fünf Bergleute bei einer Gasexplosion, fünf weitere werden verletzt. Die Missstände in der Grube sind seit Jahren bekannt

von BARBARA KERNECK

Als die elf geretteten Bergleute gestern Vormittag die Unglücksgrube Sapadnaja im südrussischen Nowoschachtinsk verließen, schien in dem verwahrlosten Städtchen zum ersten Male seit Tagen die Sonne. Fast eine Woche lang hatten sie isoliert unter Tage gesessen, in einer Luftblase in einem Nebenschacht, stündlich stärker von steigendem Wasser und schwindendem Sauerstoff bedroht. Ihren Rettern hatten sie auf der letzten Strecke selbst den Weg gewiesen, denn während ihres Rückzugs hatten sie Nachrichten an die Stollenwände gekritzelt.

Sieben aus der Gruppe konnten gestern auf eigenen Füßen stehen und ihren Freunden und Verwandten zuwinken, die seit Tagen zwischen Hoffnung und Verzweiflung in der Kälte ausgeharrt hatten. Der Elfte musste noch unter Tage ärztlich versorgt werden, ein zwölfter Kumpel konnte nur noch tot geborgen werden. Ihn hatte auf der Flucht eine Flutwelle gegen eine Lore geschmettert.

Am Donnerstag vergangener Woche hatte sich plötzlich ein unterirdischer See in die Kohlengrube ergossen und die Stollen mit eiskaltem Wasser überflutet. Zum Unglückszeitpunkt befanden sich 71 Bergleute unter Tage. 25 von ihnen hatten sich sofort retten können, 33 wurden am Samstag in einer ebenfalls dramatischen Aktion geborgen. Bei ihnen hatte sich der einzige Mann aufgehalten, von dem noch jede Spur fehlt. Ein Freund, der mit ihm zu einem Patrouillengang aufgebrochen war, erzählte den Rettern, der Vermisste habe entgegen einer strikten Anweisung allein vorpreschen wollen. „Noch eine ganze Weile sah ich seine Lampe flackern, und dann verlosch sie abrupt“, berichtete der Zeuge.

Die Freude an der guten Nachricht aus Nowoschachtinsk verdarben Meldungen aus der Stadt Partisansk in der fernöstlichen Küstenregion Russlands. Dort fielen gestern um elf Uhr Ortszeit in der Mine Zentralnaja fünf Bergleute einer Methangasexplosion zum Opfer, fünf weitere wurden schwer und viele andere leichter verletzt. Inzwischen ist die Grube abgesperrt und eine staatsanwaltliche Untersuchung eingeleitet worden. Es heißt, man habe die obligatorische Gasanalyse vor dem Abstieg der Kumpels unterlassen.

Die Missstände in den russischen Kohlegruben sind seit 15 Jahren Gegenstand von Enthüllungen in der Presse. Sicherheitstechnisches Gerät und das zur Abstützung der Stollen unentbehrliche Grubenholz werden oft von den Betriebsleitungen schwarz verkauft. Präsident Wladimir Putin erklärte gestern auf einer Sitzung des Staatsrates: „Leider nimmt diese Art von Ereignissen einen systematischen Charakter an.“ Gleichzeitig schlug er alle Teilnehmer der Rettungsaktion in Nowoschachtinsk für staatliche Auszeichnungen vor. „Helden finden immer Arbeit“, heißt es in dem gleichnamigen Sketch des russischen Kabarettisten Michail Schwanezki, und weiter: „Durch Feuer und Wasser gehen unsere Jungs, wenn’s Not tut. Und Not tut es, bitter Not.“