Kollektive Erleichterung
: KOMMENTAR VON KLAUS HILLENBRAND

Nur in den seltensten Fällen findet ein Ereignis statt, bei dem die Bevölkerung des ganzen Landes kollektiv zustimmen wird. Gestern aber gab es einen dieser raren Momente. Bahnchef Hartmut Mehdorn warf das Handtuch, und ein zutiefst erleichtertes „Endlich!“ dürfte im Land erschallt sein. Der Mann galt nicht nur unter Bahnfahrern und Mitarbeitern als Hassfigur – Mehdorn stand stellvertretend für viele andere als der böse deutsche Manager.

Nun zählte es nicht zu seinen Arbeitsplatzanforderungen, besonders beliebt zu sein. Und man muss Mehdorn zugutehalten, dass er gewiss nicht persönlich für jede einzelne Verspätung verantwortlich war, genauso, wie er es geschafft hat, eine moderne Bahn in die schwarzen Zahlen zu führen. Aber Hartmut Mehdorn hat auch eine schier unglaubliche Kette von Fehlern begangen: Unsinnige Fahrpreisgestaltungen und eine verhinderte Servicegebühr sind das, woran sich die Kunden erinnern werden. Von ungerechten Lohnvorstellungen wissen Lokführer zu erzählen. Die Zerstörung eines Großteils der Bahn-Infrastruktur geht auf sein Konto. Die Krönung war die Bespitzelung sämtlicher Mitarbeiter.

Gescheitert allerdings ist Mehdorn an keinem dieser Skandale. Seinen Job ist er losgeworden, weil die Politik ihm die Unterstützung bei der Bahnprivatisierung entzog. Und das wiederum war nicht Folge innerer Einsicht, sondern der Wirtschaftskrise. Eine Privatisierung der Bahn – Mehdorns Lieblingsidee – ist kurz vor einer Bundestagswahl und angesichts der Krise weder der Bevölkerung vermittelbar, noch würde diese eine adäquate Geldsumme in die öffentlichen Kassen spülen. Also wurde sie abgesagt. Also kann die Politik auf Mehdorn verzichten.

Jetzt gilt es zunächst, den Augiasstall der Überwachung und des Misstrauens auszumisten, damit die Bahnmitarbeiter wieder unter erträglichen Bedingungen arbeiten können. Für die Zukunft entscheidend wird aber sein, ob sich Politiker und Manager besinnen und die Bahn erneut als Teil des öffentlichen Guts begreifen, das nicht allein Profitinteressen unterliegen darf. Oder ob sie die Privatisierung wieder aus der Schublade ziehen. Tritt letzterer Fall ein, dann bleibt der Abgang Mehdorns nur eine Personalie.