heute in bremen
: „Mit verblüffender Selbstreflexion“

Tom Schimmeck bekommt den „Rüdi hört“ für sein Feature über Komabesäufnisse

taz: Herr Schimmeck, Sie haben ein preisgekröntes Radio-Feature über junge „Kampftrinker“ produziert. Wollten die Sie mit ihrem Mikro denn dabei haben?

Tom Schimmeck, freier Journalist: Die fanden es super, da reinzugrölen. Aber auch, ihre Probleme zu analysieren – mit einem verblüffenden Grad an Selbstreflexion. Bedrückend war zu erleben, mit welcher Entschlossenheit sich viele die Birne ausknipsen. Das ist, als würden sie sich von der Klippe schmeißen.

Wo haben Sie Ihr Material gesammelt?

Beispielsweise beim Vatertag im Deister. Ich bin auch nächtelang mit dem Mikro auf der Großen Freiheit auf- und abgegangen. Das ist längst keine Sexmeile mehr, sondern eine Kindersaufmeile. Selbst dort fanden sich Jugendliche, die sehr klug über Gruppenzwänge reden konnten – nur um sich dann die Kante zu geben. Die besten Interviews ergaben sich in Therapieeinrichtungen, die mir die Türen geöffnet haben.

Es wird gern darauf verwiesen, dass immer schon gesoffen wurde.

Die Statistiken zeigen eindeutig: Immer mehr trinken immer früher. Neue, derbe Jugend-Saufrituale entstehen – weltweit, zumindest in Europa und den USA. Kinderkliniken klagen, wegen der vielen Schnapsleichen fehle ihnen die Zeit zur Versorgung „normaler“ Patienten. Diese Meldung war Ausgangspunkt für mein Feature. Ich habe es in Hannover erlebt: Wegen einer 16-jährigen Schnapsleiche mussten die Babys warten. Mittlerweile ist auch „Gleichberechtigung“ eingetreten: Komasaufen war früher ein Jungsphänomen, nun holen die Mädchen auf. In Polen sollen sie schon mehr trinken als die Knaben.

INTERVIEW: HENNING BLEYL

Öffentliche Preisverleihung und Feature-Präsentation: 20 Uhr, Energiecafé Sögestraße/Am Wall