Kieler Datenschützer voll beschäftigt

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert kritisiert die Zunahme von teilweise sorglosem, teilweise kriminellem Umgang mit persönlichen Daten. Acht Millionen illegale Datensätze seien ihm zugeleitet worden

Ein „Jahr der Skandale“ war 2008 aus der Sicht des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert. Bei der Vorstellung seines aktuellen, zweihundert Seiten umfassenden Tätigkeitsberichtes präsentierte der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein am Dienstag in Kiel eine lange Liste schwerer Verfehlungen gegen Persönlichkeitsrechte.

Ob Mitarbeiterbespitzelung, illegaler Datenhandel oder Abhöraffären – 2008 hätten sich „die Ereignisse“ überschlagen, kritisiert Weichert die eigene Vollbeschäftigung. Insgesamt macht der Kieler Datenschützer für das vergangene Jahr „eine immense Zunahme von Beschwerden“ über Datenschutzverstöße aus.

Auf „hohem Niveau problematisch“ bleibe vor allem die „Privatwirtschaft“, da hier der „Missbrauch der Videoüberwachung zur Bespitzelung von Mitarbeitern und Kunden fröhlich fortgeführt“ werde. Populärstes Beispiel: Die Mitarbeiterbespitzelung des Discounters Lidl durch Kameras und Privatdetektive. Allein in Schleswig-Holstein habe es mindestens elf Einsätze gegeben, bei denen die Lebensmittelkette eigene Mitarbeiter observieren ließ. Immerhin habe der Konzern aus seinem Fehlverhalten „Konsequenzen gezogen“. Lidl stellte zwei Datenschutzbeauftragte ein und zahlte anstandslos ein Bußgeld von fast 1,5 Millionen Euro.

Ein weiteres Problem sei der illegale Datenhandel, der im vorigen Jahr von Schleswig-Holstein ausgehend die gesamte Republik erfasst habe. Insgesamt erhielt der Datenschutzbeauftragte – meist über die Verbraucherzentrale – fast acht Millionen illegale Datensätze von Kunden von Glücksspielen, Internet-Dienstleistern, Telekommunikationsunternehmen und anderen Dienstleistern.

Mehrere tausend Bürger hätten etwa unerwünschte Anrufe von Callcentern erhalten, die ihnen Verträge oder die Teilnahme an Lotterien angeboten hätten. „Obwohl die Betroffenen die telefonischen Angebote zumeist ablehnten, wurden kurze Zeit später Geldbeträge von ihren Bankkonten abgebucht“, klagt Weichert. Ein älterer Schleswig-Holsteiner sei so um 30.000 Euro geschädigt worden.

Nach Ansicht von SPD und Grünen hat der Handlungsbedarf beim Datenschutz deutlich zugenommen – das gelte gerade auch innerhalb der Betriebe. „Die Fälle von gravierenden Verstößen gegen Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern zeigen, dass betrieblicher Datenschutz für viele Arbeitgeber ein Fremdwort ist“, sagt Thomas Rother von der SPD-Landtagsfraktion. MARCO CARINI