berliner szenen Am Winterfeldtplatz

Von 19 bis 20 Uhr

Ein Herbstgeräusch: Blätter, die über Bodenplatten treiben. Vertrocknet, erzeugen sie ein schabendes Rascheln; am vergangenen Dienstag war man, auf dem Winterfeldtplatz stehend, ganz eingehüllt davon.

Das Zweite, was zu dieser frühabendlichen Stunde auffällt, sind die beleuchteten Fenster ringsum – es muss etwas ganz Archaisches um sie sein, vor allem bei den Restaurants. Was für eine Wärme Fenster vermitteln können, die den Blick freigeben auf Menschen, die um einen Tisch sitzen und essen! Wobei zu sagen ist, dass dieser Heimeligkeitseffekt beim indischen Restaurant Amrit zu dieser Jahreszeit nicht so gut funktioniert. Im Erdgeschoss ganz verglast, vermittelt es eher einen Aquariumseindruck. Beim Tim’s auf der anderen Straßenseite klappt das aber umso besser. Genormte Fenster, abgedunkeltes Licht: Hier ist noch dieser Rest Höhlenhaftigkeit ausgestellt, der, genau dosiert, Geborgenheit verheißt.

Wenn man durch die Fenster sieht, registriert man Unaufgeregtheitssignale. Es ist für die Gäste das jeweilige Gegenüber, nicht das Ambiente, das zählt. Dies ist kein Ausgehen im emphatischen Sinn. Man trifft sich eben einfach oder geht schnell mal was essen. Vorm Fenster stehend, kam dann die Frage auf, mit wem ich hier schon alles essen war. Im Wesentlichen läuft es auf Familie hinaus: Frau, Kinder, Freundin, Schwiegermutter, Mutter, Schwester, gute Freunde auf Berlinbesuch. Viel seltener essen war ich hier mit Kollegen und Kolleginnen sowie mit Menschen, die ich beeindrucken oder erst kennen lernen wollte oder musste. Scheint so, dass der Winterfeldtplatz in meiner Bewusstseinslandschaft eher Wohnzimmer ist als Salon. DIRK KNIPPHALS

(20 bis 21 Uhr: kommenden Freitag)