Vom Ballett auf Kambodschas Thron

Norodom Sihamoni wird auf Vorschlag seines Vaters König Sihanouk zum kambodschanischen Thronfolger ernannt

Kambodschas Innenpolitik war bisher nie seine Sache: Jetzt aber soll Prinz Norodom Sihamoni, Sohn des vor einer Woche abgedankten Königs Sihanouk, auf Wunsch seines Vaters den Thron des armen südostasiatischen Landes besteigen. Gestern wurde dies vom Thronrat gebilligt.

Sihamoni gilt als ungewöhnliche Wahl: Denn seiner Heimat Kambodscha stand der heute 51-Jährige die meiste Zeit so fern, wie sein Vater dort dominant war: Sihamoni, der sich lieber mit schönen Künsten als politischen Ränkespielen beschäftigte, lebte seit den 80er-Jahren in Paris, war Ballett-Tänzer, Choreograph und Filmemacher und bis September Kambodschas Botschafter bei der Weltkulturorganisation Unesco in der französischen Hauptstadt.

Schon als 14-Jähriger spielte er in der Verfilmung seines Vaters von „Der Kleine Prinz“ die Titelrolle. Geboren im Mai 1953 in Phnom Penh wurde aus dem „Kleinen Prinzen“, der klassischen kambodschanischen Tanz studierte, bald ein führender Darsteller. 1975 machte er seinen Abschluss an der Prager Akademie der Musik und Künste, um anschließend Kinematographie zu studieren – in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang.

Als die Roten Khmer Kambodscha mit Terror und Völkermord überzogen, in dessen Folge fast zwei Millionen Kambodschaner starben, standen Sihamoni und seine Eltern im Palast zeitweilig unter Arrest. Ein früherer Sekretär Sihanouks, der ein Buch über die Monarchie veröffentlichte, schrieb über die Erinnerungen des Prinzen, dass es der königlichen Familie nicht erlaubt gewesen sei, jemanden zu sehen, und dass sie für ihre eigene Ernährung Gemüse im Garten des Palastes ziehen musste.

1981 zog Sihamoni nach Frankreich. Der Prinz gründete eine eigene Ballettgruppe und führte Regie in Tanzfilmen. Weil er so wenig Zeit in Kambodscha verbracht hat, schuf er sich im Gegensatz zu seinem Halbbruder Prinz Ranariddh dort auch keine offensichtlichen Feinde. Diesen Umstand wertete der 81-jährige Sihanouk denn auch gleich als großen Vorteil den künftigen Königs: „Sihamoni ist eine neutrale Person, er war bislang nicht in die Politik involviert und ist nicht parteiisch.“

Die gestrige Entscheidung des aus neun Mitgliedern bestehenden Thronrates zugunsten von Prinz Sihamoni galt lediglich als Formsache, da er der einzige Kandidat war. Denn der weit bekanntere Ranariddh, der zur Zeit Präsident der Nationalversammlung ist, will lieber weiter seine Fäden in der Politik ziehen.

Dominiert wird der Thronrat vor allem vom mächtigem Premierminister Hun Sen, der einst selbst Offizier der Roten Khmer war, sich aber dann von diesen lossagte und mit Vietnam paktierte. Auch Hun Sen, dem ein angespanntes Verhältnis zu Sihanouk nachgesagt wird, sprach sich für Sihamoni aus. Beobachter mutmaßen, dass Hun Sen im politisch unerfahrenen Sihamoni eine Galionsfigur sieht, mit der er Staat machen kann, die aber auch leicht zu beeinflussen ist. NICOLA GLASS