Misstöne im Löwengebrüll

Zwischen den Fußballfans aus Braunschweig und Hannover herrscht seit Jahrzehnten liebevoll gepflegter Hass. Der durfte sich am Mittwoch beim Pokalderby ausleben

Braunschweig taz ■ Die Fußballer der Braunschweiger Eintracht waren dem Erzrivalen von Hannover 96 schon immer einen Schritt voraus. Bereits 1895 wurde der Club im Süden Niedersachsens gegründet, die heutige Landeshauptstadt zog erst im darauffolgendem Jahr nach. Als es 1963 um die Bestimmung der Gründungsmitglieder der Bundesliga ging, waren es wieder die „Löwen“, die 96 das Nachsehen gaben, angeblicher Ursprung der besonderen Rivalität beider Clubs. Nicht nur Hannover, sondern gleich ganz Deutschland ließen die Braunschweiger in ihrer Meistersaison 1967 hinter sich. Dass die Löwen den Nachbarn am Mittwochabend im 78. Niedersachsenderby mit 2:0 in die Schranken verwiesen und in die dritte DFB-Pokalrunde einzogen, scheint da folgerichtig.

Die Gegenwart aber zeichnet ansonsten für das Team von Trainer Uwe Reinders ein anderes Bild. Als seit sechs Spielen siegloser Regionalligist empfing es den Erstligisten aus Hannover. Und auch wenn die Löwen-Fans den 96ern mit trotzigen „Erste Liga – Keiner weiß warum“-Gesängen den höherklassigen Fußball absprachen, die großen Fußballzeiten sind hier längst passé. Der Auftritt im Derby sollte dem angestaubten Image zu neuem Glanz verhelfen.

Der Spielausgang entsprach dieser Prämisse, die Stimmung im Stadion nur bedingt. Als aus den Lautsprechern der Song „Let me entertain you“ dröhnte, zeigten die Braunschweiger Fans mit ihrem „Tod und Hass dem HSV“ ihr ganz eigenes Verhältnis zur sportlichen Unterhaltungskultur. Das Schwenken von Schals mit dem Aufdruck „100% Hass“, dazu vielkehlige „Hannover verrecke“-Verwünschungen – die Tradition macht der Aggression Platz. Das riesige Plakat „Unsere Zahlen 1895 und 1967 sind Geschichte, eure nur Dreck“, fügte sich ins Bild.

Nach dem Spiel war es dann an den Hannoveraner Fans, Krach zu schlagen. Noch-96-Coach Ralf Rangnick musste die aufgebrachten Anhänger per Megaphon beruhigen: „Wir sind genauso enttäuscht wie ihr.“ HOLGER SCHLEPER