Es ist mal wieder so weit

Parallel zu mehreren Prozessen gegen Blockierer läuft die Mobilisierung gegen den nächsten Castor-Transport an. Verfahren um den Einsatz von Undercover-Ermittler vorerst geplatzt. Befürchtungen wachsen, dass Gorleben Endlager wird

von KAI VON APPEN

Der „Tag X“ rückt näher. Der Staat rüstet auf, die Mobilisierung der Castor-GegnerInnen läuft: Um den 10. November herum soll der Atommüll ins Wendland rollen. „Wir können den Transport vielleicht nicht verhindern, aber die beherzten Menschen haben stets Zivilcourage gezeigt, den Castor zu stoppen“, sagt Wolfgang Ehmke von der BI Lüchow-Dannenberg. „Zuletzt waren immer wir die lachenden Dritten.“

Indes versucht die Justiz in Lüneburg, diese Zivilcourage durch Strafverfahren zu brechen. Seit gestern muss sich der Jugendliche Adelwin B. vor dem Amtsgericht Uelzen aufgrund einer Castor-Blockade in Wilster „wegen Störung öffentlicher Betriebe“ verantworten. Das Verfahren gegen seine erwachsenen Mitstreiter war von der Itzehoer Staatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein bereits wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.

Gleichzeitig ist der Prozess gegen zwei andere Castorgegner in Lüneburg geplatzt. Eine geladene Zeugin erschien nicht, der Prozess wurde ausgesetzt. Inmitten der Unwägbarkeiten des neuen Transportes wollte die Justiz die so genannte ICE-Blockade aus dem Vorjahr rechtlich aufrollen – obwohl das Verfahren dazu neigen könnte, zu einer Anklage gegen illegale Polizeimaßnahmen zu mutieren.

Die Aktion aus dem November 2002 hatte für Furore gesorgt. Damals hatte sich eine Gruppe Castor-GegnerInnen überlegt, sich nicht nur im Kerngebiet des Wendlands – wo 13.000 PolizistInnen Gewehr bei Fuß standen –, sondern bereits an der Hauptstrecke Hamburg-Lüneburg auf den Gleisen vor die Castor-Behälter „querzustellen“. Was der zusammengewürfelte Haufen nicht wusste: In ihren Reihen befand sich mit „Bruno Lohmann“ – angeblich ein Landwirt aus dem Wendland – ein verdeckter Ermittler des Bundesgrenzschutzes (BGS).

Und „Bruno“ stand mit den BGS-Einheiten nach taz-Informationen in engem Kontakt. Und so konnte der Bundesgrenzschutz denn auch ein drehbuchreifes Beinahe-Katastrophen-Szenario organisieren. Während der Castor-Zug wegen eines Defektes ohnehin im Güterumschlagsbahnhof Maschen festsaß, ließ man einen ICE-Hochgeschwindigkeitszug überholen und schickte ihn auf die Strecke nach Süden – allerdings dann doch mit reduzierter Geschwindigkeit und BGSlern im Cockpit sowie Luftüberwachung durch BGS-Helikopter. 200 Meter vor den Protestierern auf der Schiene kam der Zug zum Stehen.

Der BGS sprach anschließend von einer Notbremsung, obwohl die Protestler die Gleise noch rechtzeitig hatten verlassen können. Inzwischen ist jedoch klar, dass es diesen abrupten Stopp so nie gegeben hat. Zudem ist der Einsatz eines solchen verdeckten Ermittlers rechtswidrig, denn der Einsatz von „Undercover-Agenten“ obliegt nur den Länderpolizeien. Für den Anwalt der Angeklagten, Martin Lemke, ist der Vorfall eine „vom Staat inszenierte Kampagne“.

Nach Einschätzung von BI-Sprecher Wolfgang Ehmke ist der Castor-Widerstand an einem entscheidenden Punkt angelangt. Obwohl die Gorlebener Salzstöcke zur Endlagerung ungeeignet seien, könnten aufgrund der Entsorgungsnot der Atomindustrie Fakten geschaffen werden „Es sind bereits 1,4 Milliarden Euro in den Salzstock verbuddelt worden, irgendwann kommt man mangels Alternativen auf die Idee, weil da ein paar Castor-Behälter in der Nachbarschaft stehen, sie dort einzulagern.“

Castor-Aktionen am Samstag, 1. November: Demonstration in Uelzen, 11 Uhr am Hammersteinplatz. Stadtteilfest Buchholz entlang der Ausweichstrecke, Beginn 11 Uhr am Bahnhof-Buchholz. Auftaktparty in Hamburg – „Widerstand auf allen Ebenen“, Rote Flora, Schulterblatt, Beginn 21 Uhr.