„Nur Behauptungen“

Der Prozess gegen ein libanesisches Paar wegen Verletzung der Erziehungspflicht endet ergebnislos

Bremen taz ■ Ein äußerst merkwürdiges Stück wurde gestern in Zimmer 150 am Bremer Amtsgericht gegeben. Einem libanesischen Ehepaar sollte der Prozess gemacht werden wegen „Verletzung der Fürsorge- und Erziehungpflicht“ an ihren schulpflichtigen Kindern. Und das ist immerhin eine besondere Sache: dass nicht den Kindern nach dem Jugendstrafrecht ein Verstoß nach dem anderen aufgelistet wird, sondern die strafmündigen Eltern zur Verantwortung gezogen werden. Allein, es kam nicht dazu.

Mit einer von der Bildungsbehörde verfassten Anzeige gegen die Eltern,die auf ganzen zweieinhalb Seiten mit „schlichten Behauptungen“ aufwarte, so Richter Friedrich-Christoph Kornblum, habe es sich die Behörde „einfach gemacht“. Zwei Töchter der Familie seien in den Monaten Januar und Februar 2002 am Schulbesuch gehindert worden, klagen die Bildungsbeamten. Außerdem habe ein 13-jähriger Sohn bereits 90 Straftaten auf dem Buckel.

Die Assoziation mit dem Münchener Intensivtäter „Mehmet“ lag nahe – und war wohl auch beabsichtigt. Sie blieb aber in der Verhandlung unbestätigt. Der Verteidigerin der Mutter waren sechs Vergehen des Jungen bekannt. Auch äußerte sich der Richter skeptisch zu der Möglichkeit, mit einem Strafverfahren pädagogisch auf die Eltern einwirken zu können. „Das wäre ein Fall fürs Familiengericht“, urteilte er. Das aber sei vor nicht allzu langer Zeit mit der Familie befasst gewesen und habe in Bezug auf die Töchter „keinen Handlungsbedarf“ festgestellt. Ein jüngerer Bruder namens Ahmed lebt seitdem bei einem erwachsenen Bruder in „geregelten Familienverhältnissen“.

Notorisch straffällig ist dagegen Muhammed, der 26-jährige Sohn der Familie, der laut Richter schon an die 100-mal straffällig wurde. Er war es auch, der seine Mutter in den beiden Situationen zur Seite stand, die dann gestern als Nebensache doch noch zur Verhandlung kamen. Gemeinsam mit ihr hat er bei Karstadt ein Kleid für über 300 Euro gestohlen, außerdem haben die beiden in einer Findorffer Arztpraxis „wüste Beschimpfungen“ gegen das Personal ausgestoßen. Eine Arzthelferin sei dabei bespuckt worden.

Während das Verfahren wegen Verletzung der Erziehungspflicht gegen die Eltern eingestellt wurde, verurteilte der Richter die Mutter wegen der beiden anderen Vergehen zu einer Geldstrafe von 800 Euro, die sie als Sozialhilfeempfängerin in Raten zahlen kann. Für Sohn Muhammed hat dieses Urteil auch eine Konsequenz: Die Bewährungsstrafe, die er zur Zeit verbüßt, könnte umgewandelt werden in eine Haftstrafe. Das beantragte das Gericht. hey