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: Gekonnter Spagat zwischen Sparen und Verschwenden: Der neue Trend Luxese

Es gibt wohl einen neuen Lifestyle-Trend, der sich in Berlin aber noch nicht so richtig durchsetzen konnte, nämlich die Luxese. Was heißt Luxese? Mal Luxus, mal Askese eben, also eine plurale Ökonomie moderner Lebensstile. Nach bisherigen Recherchen tauchte das Akronym zum ersten Mal bereits im Jahre 1998 in der Jungle World im Rahmen eines soziologisch unterfütterten Fußballartikels auf.

„Auf Schloss Steinegg im thurgauischen Hüttwilen wurde die tiefsinnige Wortkombination Luxese erfunden, die mehr sein will als ein vergängliches Modewort“, heißt es aber wiederum auf der Homepage eines Luxushotels, das sich als Manageroase empfiehlt. Das „Duden Szenewörterbuch“ kennt den Begriff seit dem Jahre 2001. Nun, wie dem auch sei, die Marktforscher begreifen Luxese jedenfalls als Wandlung unserer Konsumgewohnheiten: Die Reichen kaufen Spezereien, die Armen gehen zu Aldi – diese Schwarzweißsicht auf die Welt soll so nicht mehr stimmen.

Wer Luxese lebt, kann also für seine Yuppie-Freunde aufwändige Nouvelle Cuisine kochen und sie dazu durchaus stilgerecht mit einem Frascati für 2 Euro 90 von Aldi bewirten. Kann aber dieses Phänomen, das zurzeit noch in Managermagazinen verhandelt wird, auch in unserem wunderbaren Alltag auftauchen?

Durchaus, müsste man doch nur die hohe Schule der Luxese mit der Grundidee des Menschentypus „Limer“ – Less income more experience – verbinden. Denn der Limer bringt ja angeblich Freiheit und Verzicht aufs Selbstbestimmteste zusammen. Den bitteren Verdacht, dass es ein noch schöneres Leben als das des Limers geben könnte, nämlich das des Mimers: „More income, more experience“ – wollen wir an dieser Stelle nicht aufkommen lassen. Denn im gekonnten Spagat zwischen Sparen und Verschwenden tun sich schöne Gegensatzpaare auf: Kaviar auf Knäckebrot oder mit dem Billigflug ins Luxushotel.

Auch bei der neuen Staffel „Popstars“ wurde ja Luxese vorgelebt. Denn einerseits flogen die angehenden Popstars nach mehreren „Recalls“ schick zum Workshop nach Orlando, dann mussten sie wieder nachmittags mit dem Megafon durch regennasse bundesdeutsche Fußgängerzonen ziehen, um Zuschauer für die „Show“ am Abend zu rekrutieren. Wie weit ist es aber mit der Luxese in Berlin?

Am Wochenende galt es, den neuen Trend einem Realitycheck zu unterziehen. Dabei geht es darum, wahre Luxese zu entdecken und nicht die herkömmlichen Sparmaßnahmen, die wir in unserem Umfeld immer mehr beobachten können (nie mehr am Wochenende ins Kino gehen, Mineralwasser statt Latte Macchiato , Mitfahrzentrale statt Bahncard) für einen neuen Trend zu halten. Im Szenebezirk Prenzlauer Berg war am Samstagabend von Luxese wenig zu spüren: Im „Ausland“ trat eine französische Folkakustikeletronikerin strümpfig mit Blockflöte, Melodica, akustischer Gitarre und Cello auf und verkörperte in ihrer Darbietung eher Askese und Bescheidenheit ohne Luxus. Auch im King Kong Klub in crazy Mitte war gegen 2 Uhr 30 wenig Luxese auszumachen, die meisten Gäste waren bereits eingeschlafen.

Bei Carlos Container hingegen, dem architektonisch interessanten Flachbau mit dem klassisch kargen Innenleben – Tresen und Plattenspieler – herrschte noch reges Leben. Eine erlebnisfordernde blonde junge Frau im einschulterfreien Abendkleid schleuderte ihre Handtasche beim exaltierten Tanzen gefährlich durch die Luft, aber keiner beachtete sie, alles starrte zu abgehalfteter Punkmusik auf den versifften Teppichboden. Vielleicht war das schon eine spezifisch berlinische Ausprägung von Luxese – die Askese ist immer schon da und Luxus heißt einfach, nicht mehr hinschauen zu müssen. CHRISTIANE RÖSINGER