Kopftuchdebatte

Lehrer sollen Vorbilder und Anleiter bei der Persönlichkeitsbildung sein. Wie sollen sie das machen, wenn sie alle gleichgeschaltet, abwaschbar und ohne sichtbare Persönlichkeit wären? Wie sollen Lehrer das höchste Staatsgut vermitteln, wenn sie schon im Erscheinungsbild bekenntnisunfrei und passionslos sind. Wie viel besser wäre es, wenn Schüler sehen, dass Leute mit Kopftuch, Kruzifix, Kipa oder Dalai-Lama-Button für einen in Toleranz und Grundgesetz geeinten Staat stehen können. Freiheit entsteht nur, wenn man sich zum einen bekennt, aber auch das andere gelten lässt – also wo eine Lehrerin Kopftuch trägt und trotzdem gerechte Mathenoten gibt. „De pluribus unum“ anstatt Gleichschaltung. Das muss auch der Lehrkörper vorzeigen dürfen.

Herr Körting und andere Beamtengraufärber verweisen immer wieder auf die potenzielle Bevorzugung gleichgläubiger Schüler oder gar die altdeutsche Angst vor religiöser Unterwanderung des Kulturgutes Lehrplan. Dazu lässt sich nur zuspitzen, dass Religion zuerst im Kopf ist, dann auf dem Kopf. Jemand, der unterwandern und bevorzugen will, täte dies auch ohne offen zur Schau gestellte Zeichen – vermutlich sogar erfolgreicher. […]

Es müssen andere, subtilere Instrumente her für den Schutz vor politischer oder religiöser Missionierung in der Schule. Ein offenes Schulklima ohne vorauseilende Bekenntnisinquisition wäre ein guter erster Schritt. Kleiderordnungen machen nur unfrei, rauben den Lehrern im täglichen Klassenkampf notwendiges Persönlichkeitspotenzial und den Schülern die Möglichkeit zu lernen, was Freiheit auch in Deutschland immer ist: die Freiheit des Andersgekleideten. FLORIAN FLEISCHMANN

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