Das Finanzamt wittert steuerpflichtiges Vergnügen

Bei der „Fachtagung Prostitution“ kritisiert die Hurenlobby das 2002 eingeführte Prostituiertengesetz: Einheitliche Umsetzungsregelungen fehlen

„Prostitution ist die Schnittmenge zwischen Ökonomie und Sexualität“, sagt Ekstasemasseur Marc aus Frankfurt am Main. „Leider werden wir Prostituierte fast immer nur zu dem sexuellen Aspekt unseres Berufs befragt“, fügt er bedauernd hinzu.

Um sich ausführlicher mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekt ihres Gewerbes auseinander zu setzen, waren er und 60 weitere TeilnehmerInnen diese Woche zur 8. Fachtagung Prostitution nach Berlin gereist, die vom Prostituiertenprojekt Hydra ausgerichtet wurde. SexarbeiterInnen und in der Prostituiertenberatung Tätige aus Deutschland, den Niederlanden und Österreich tauschten sich über Themen wie Steuern und Arbeitsrecht, aber auch Jugendprostitution, HIV und MigrantInnen in der Sexarbeit aus.

Der Schwerpunkt lag dabei auf den Erfahrungen mit dem am 1. Januar 2002 eingeführten Prostititutionsgesetz, kurz ProstG. Einhelliger Tenor: Die Situation der SexarbeiterInnen hat sich seither eher verschlechtert, die Rechtsunsicherheit zugenommen. Dabei sollte die Gesetzesnovelle Anschaffenden ursprünglich ein rechtlich abgesichertes Beschäftigungsverhältnis und den Zugang zur Sozialversicherung ermöglichen. Mangelnde Umsetzungsregeln und unterschiedliche Auslegung der Finanzämter und Steuerbehörden führen aber zu großer Verunsicherung.

Viele Bordellbesitzer weigerten sich aus Angst vor Strafverfolgung weiterhin, Prostituierte anzustellen, so Uta Falck von Hydra. Auch viele SexarbeiterInnen selbst hätten Bedenken, ihr Gewerbe anzumelden. So befürchten abgabewillige Prostituierte, vom Finanzamt zehn Jahre auf ihr Einkommen rücküberprüft und wegen Steuerhinterziehung strafverfolgt zu werden, wenn sie ihr Gewerbe anmelden wollen. Die Hurenlobby fordert deshalb eine Stichtagsregelung, um Prostituierten den Weg in die Legalität zu erleichtern.

Kritisiert wurde auch das Verhalten der Arbeitsämter gegenüber Bordellbetreibern und arbeitssuchenden Prostituierten. Die Bundesanstalt für Arbeit hatte vergangenes Jahr die Landesämter aufgefordert, im Bereich Prostitution nicht vermittelnd tätig zu werden, weil Persönlichkeitsrechte der anderen Arbeitssuchenden geschützt werden müssten. Versehentlich war im Juli eine nicht in der Prostitution tätige Frau über das Arbeitsamt an ein Spandauer Bordell vermittelt worden, das sich als „Massagesalon“ bezeichnet hatte (siehe taz vom 10. Juli 2003). Das könnte in Zukunft vermieden werden, wenn Bordelle sich nicht unter Decknamen anmelden müssten, meint Antje Conrady von Hydra. „Die jetzige Regelung diskriminiert die SexarbeiterInnen. Außerdem wurde das Prostituiertengesetz geschaffen, um mehr Anschaffende sozialversichert zu beschäftigen – diese Intention wird so unterhöhlt.“

Probleme entstehen auch dadurch, dass das ProstG nicht auf andere Gesetze, die die Prostitution berühren, abgestimmt ist. So sind in einigen Kommunen bordellartige Betriebe vergnügungssteuerpflichtig. Während aber bei Kneipen die Steuer nicht auf den alltäglichen Betrieb, sondern nur auf besondere Veranstaltungen wie etwa Partys erhoben wird, wird bei den Bordellen jeder Tag als „Vergnügen“ definiert und noch dazu mit einem höheren Satz besteuert.

„Wenn die das in Berlin auch einführen, kann ich gleich dichtmachen und stattdessen putzen gehen“, sagt Stephanie Klee, Inhaberin eines Ein-Frau-Bordells und Gründungsmitglied vom Bundesverband sexueller Dienstleistungen, der sich für die Gleichstellung bordellartiger Betriebe einsetzt. Diese Ungleichbehandlung sei zwar rechtswidrig, aber „das Gesetz allein nützt überhaupt nichts – man muss es einklagen“, so Klees Erkenntnis. SONJA WERDERMANN