Der WAZ-Minister

Wolfgang Clement will die Auflagen für Zeitungsfusionen lockern – mit einem „Zweisäulenmodell“ und „klaren ökonomischen Strukturen“

aus Berlin STEFFEN GRIMBERG

Das besondere Kartellrecht für die Presse soll geändert werden. Darin zumindest sind sich Verleger-Lobby und Bundesregierung einig. Auch darüber, dass die Zeit drängt – schließlich geht es formal um ganze zwei Absätze in der bereits fertigen Gesetzesnovelle. Die liegt so nun schon eine ganze Weile auf Halde, muss aber spätestens im Frühjahr in Kraft treten. De facto geht es um die Zeitungskrise, bei der die Verleger die Bundesregierung zumindest so weit überzeugt haben, dass nur die Erleichterung von Kooperationen und Zusammenschlüssen als Allheilmittel in Frage kommt.

Doch obwohl sich Wirtschaftsminister Clement solche Mühe auf dem verminten Feld der Pressefusionskontrolle gibt, kann er’s keinem Recht machen. „Unsinn“ und „überhaupt nicht praktizierbar“, heißt es bei vielen Mitgliedern der Journalistengewerkschaft DJV gleich im Anschluss an den wolkigen Vorschlag des Ministers. Der wäre bereit, die Auflagen für Zeitungsfusionen im Verlagsbereich zu lockern, wenn gleichzeitig für alle Zeiten die redaktionelle Unabhängigkeit der beteiligten Titel inklusive Finanzierung festgeschrieben wird.

Wie so etwas im Kartellrecht zu fassen wäre, weiß nämlich auch Clement nicht: „Stiftungsmodelle“, wie vom Holtzbrinck-Verlag bei der am Kartellamt gescheiterten Zusammenlegung von Tagesspiegel und Berliner Zeitung verfochten, seien „kartellrechtlich nur schwer vorstellbar“, räumte er beim DJV-Diskussionsabend ein, „obwohl ich das sehr spannend fand.“ Das Ganze scheint Clement ohnehin Spaß zu machen. Auf anderen Politikfeldern gebeutelt, kann er hier den guten Geist geben und alle Seiten geißeln: Die Verleger seien sich mit ihren Forderungen auch nicht einig, „das ist nicht gut“. Und „dass Sie, die Journalisten, sich so wenig zu Wort melden“, wundert den Minister auch.

Die Holtzbrinck-Variante

Und Clement wäre nicht Clement, hätte er nicht schon eine Idee parat: In einem Zweisäulenmodell müsste neben den fusionierten Verlag ein eigenständiges Redaktionsunternehmen treten, zum Beispiel geführt vom Verkäufer. Entscheidend sei dabei, dass dieser „Altverleger finanziell abgesichert“ werde: „Wir brauchen klar belegbare ökonomische Strukturen.“

Darum kümmert sich der bislang stiftungsbeseelte Holtzbrinck-Konzern derzeit auf seine Weise: Um endlich offizieller Eigentümer der Berliner Zeitung zu werden, hatte er den Tagesspiegel an den ehemaligen Holtzbrinck-Topmanager Pierre Gerckens weitergereicht. Und damit alles auch garantiert in der Familie bleibt, meldete gestern ebenjener Tagesspiegel „in eigener Sache“, Holtzbrinck habe sich beim Verkauf an Gerckens ein Rückkaufrecht über 75 Prozent der Tagesspiegel-Anteile gesichert, um „bei einer Änderung der fusionskontrollrechtlichen Rahmenbedingungen“ endlich die „verlagswirtschaftliche Zusammenarbeit“ beider Blätter durchziehen zu können.

Wie absurd allerdings Clements Modell bei allen erkennbaren Sympathien der Bundesregierung für die Holtzbrinck-Malaise in der Praxis ist, zeigt die Anwendung auf ebendiesen Berliner Zeitungsstreit: Da würde zwar Holtzbrinck das fusionierte Verlagsgeschäft beider Blätter führen können. „Altverleger“ und damit Titelinhaber der Berliner Zeitung aber bliebe der Vorbesitzer: Also müsste Holtzbrinck seine eigene Konkurrenz finanzieren – die Bertelsmann-Tochter Gruner+Jahr nämlich. Eine ziemlich interessante Form von Wettbewerb.

Was der Bundeswirtschaftsminister dabei im Hinterkopf hat, ist nun auch nicht in Berlin, sondern im Ruhrgebiet zu besichtigen: Da betreibt der WAZ-Konzern unter einem verlegerischen Dach gleich vier redaktionell separate Titel. Bei einem davon, der Dortmunder Westfälischen Rundschau, hat Clement bis 1981 gearbeitet. Und vom WAZ-Modell ist er auch weiterhin voll überzeugt. „Ich kann ohne Vorbehalt sagen: Die Unabhängigkeit der Titel ist zugesichert – und hat bis heute funktioniert.“

Die bisher eher als findiger Unterläufer aller Wettbewerbsvorschriften berühmte WAZ-Gruppe als Motor des Pressekartellrechts im positiven Sinne – eine ganz neue Sicht der Dinge.