Ein Hauch von Zufriedenheit

Was Handball-Bundestrainer Heiner Brand in Hinblick auf Olympia gar nicht gebrauchen kann, ist Übermut. Die Schlappe gegen Schweden beim Supercup scheint ihm daher fast gelegen zu kommen

aus Leipzig FRANK KETTERER

Heiner Brand blieb erstaunlich gelassen. Natürlich: Er brummelte ein wenig mehr, als er das ohnehin immer tut; aber so richtig in Rage wollte der Handball-Bundestrainer nicht kommen. Ganz im Gegenteil: Fast gleichmütig nahm der Mann aus Gummersbach die am Ende heftige 25:30-Niederlage gegen Schweden zum Auftakt des Handball-Supercups in Leipzig und Riesa zur Kenntnis, einen zarten Hauch von Zufriedenheit schien sie geradezu bei ihm auszulösen. Und das ist nun wirklich mehr als erstaunlich bei einem, der nach Eigenauskunft „jedes Spiel gewinnen will. Oder besser gesagt: Ich kann einfach nicht verlieren.“

Wenn’s aber schon mal sein muss, dann bitte schön so: deutlich, am Ende gar ohne Chance – und bei einem Spiel, für das man sich im Vorfeld durchaus einiges vorgenommen hatte. Schließlich hat der Supercup in Handballer-Kreisen längst den Status einer Mini-WM erlangt, bei der so hochkarätige Teams wie Frankreich, Spanien, Kroatien, Russland sowie eben Schweden und Gastgeber Deutschland die Kräfte messen. Das ist eine prima Gelegenheit, „sich im Wettstreit mit den besten der Besten Respekt zu verschaffen für die kommende EM und die Olympischen Spiele“, wie Torhüter Henning Fritz schon vor dem fünftägigen Turnier angekündig hatte.

Andererseits, und das dürfte auch der Hauptgrund sein, warum Bundestrainer Brand so nachsichtig reagierte, ist der Supercup eben doch „nur“ eine Mini-WM, hervorragend besetzt zwar, aber doch inoffiziell – und damit als Titel nicht von wirklicher Strahlkraft. Um solche geht es erst wieder bei der EM Anfang nächsten Jahres – und natürlich bei Olympia im Sommer in Athen. Alle Niederlagen bis dahin kann selbst Brand verschmerzen – und ihnen am Ende sogar noch Gutes abgewinnen, so wie Mittwochabend in der Arena von Leipzig. „Die Vorschusslorbeeren sind nur berechtigt, wenn wir top drauf sind“, sagte der 51-Jährige da. „Wir müssen unseren besten Handball spielen, um gegen die Top-Sieben der Welt gewinnen zu können.“ Und wer weiß, vielleicht war Brand ja auch deshalb einigermaßen einverstanden mit der Niederlage, weil sie ihm endlich Gelegenheit schenkte, diesen Satz einmal loszuwerden. Der Bundestrainer verzichtete zwar auf die branchenübliche Floskel vom „Schuss vor den Bug zur rechten Zeit“, daran gedacht haben wird er schon.

Gut möglich, dass dem ehemaligen Weltmeister die Vorschusslorbeeren hierzulande nach jeweils Platz zwei bei EM sowie WM etwas zu sehr ins Kraut geschossen sind. Da ist es manchmal durchaus angebracht, warnend den Zeigefinger zu heben und darauf hinzuweisen, dass das alles keine Selbstverständlichkeit ist – und Deutschland noch längst nicht Olympiasieger. Nach Niederlagen wie der gegen Schweden wird solchen Brand-Reden wieder etwas mehr Glauben geschenkt. Mit berufsbedingtem Pessimismus hat das wenig bis gar nichts zu tun, eher mit Realismus. Die Weltspitze im Handball sitzt dichter aufeinander denn je, sowohl bei der EM als auch in Athen kann so gut wie alles passieren. Und wie schnell es passieren kann, ist leicht zu überprüfen bei den großen Schweden: Bei der WM in Portugal schieden die in der Zwischenrunde aus.

Der deutschen Mannschaft soll das nicht widerfahren, da will Brand schon aufpassen, gerade nach solchen Niederlagen tut er es besonders nachdrücklich. „Mangelnde Aggressivität“ machte der Bundestrainer als Grund für diese aus, daraus resultierend eine „Unterlegenheit in den Zweikämpfen“. Torhüter Fritz stellte ergänzend „zu viele Fehler im Spiel nach vorne“ fest, als „ziemlich chaotisch“ empfand Christian Zeitz das deutsche Angriffsspiel, nicht ohne den sachdienlichen Hinweis beizufügen, man habe sich „erst mal wieder reinfinden“ müssen. Zeitz: „Wenn wir bei so einem Turnier nicht ein paar Dinge ausprobieren, wann dann?“

Dafür, dass auch diese Sicht der Dinge so verkehrt nicht ist, gibt es einen leisen Hinweis, nämlich die deutsche 10:7-Führung nach etwas mehr als einer Viertelstunde. Da spielte das DHB-Team zumindest im Angriff nahezu in jener eingespielten Formation, die bei der WM Silber gewonnen hatte – und es sah sehr flott und gar nicht schlecht aus. Dann aber begann die Experimentierphase. Der lange verletzte Daniel Stephan kam für Spielmacher Markus Baur, Frank von Behren für Pascal Hens, Mark Dragunski ersetzte am Kreis Christian Schwarzer. Es folgte eine erste Schwächeperiode der Deutschen, die die Schweden über 10:10 zur 16:14-Pausenführung nutzten.

„Stephan und von Behren konnten beide nicht überragen“, stellte Brand hernach fest, was andererseits auch nicht zu erwarten war, zu lange hatten sie gefehlt. Nun sollen sie sich langsam wieder herantasten. Dass beide vor ihren Verletzungen Leistungsträger der Mannschaft waren und nun darum kämpfen müssen, überhaupt wieder in diese zu finden, ist letztendlich nur ein Indiz, wie gut sich der deutsche Handball derzeit aufstellt. Daran, das weiß Bundestrainer Heiner Brand natürlich, kann auch eine Niederlage gegen Schweden nichts ändern. Auch deshalb hat sie ihn mehr zufrieden gestimmt als erzürnt.