DIE DEMOKRATISCHE ENTWICKLUNG DES IRAK SCHEINT NICHT MEHR MÖGLICH
: Mit der UNO geht die Hoffnung

Die Entscheidung, vorläufig alle ausländischen UN-Mitarbeiter aus Bagdad abzuziehen, hat zunächst nichts mit Politik zu tun, sondern ist ein Gebot der Fürsorge. Die Angestellten der Vereinten Nationen sind lebende Zielscheiben. Wer wollte unter diesen Umständen den Verbleib der UN-Mitarbeiter in der irakischen Hauptstadt verantworten? Öfter als einmal will sich Generalsekretär Kofi Annan gewiss nicht von einer unabhängigen Kommission vorwerfen lassen, nicht genug für die Sicherheit getan zu haben.

Aber auch eine Entscheidung, die aus humanitären Gründen umvermeidlich ist, kann weitreichende politische Folgen nach sich ziehen. Der Abzug der UNO aus Bagdad ist deprimierend. Daran ändern alle Beteuerungen nichts, denen zufolge es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handeln soll. Die internationale Ratlosigkeit wächst, und alle Wege scheinen derzeit in Sackgassen zu führen. Zögen die US-Truppen morgen ab, der Irak würde endgültig im Chaos versinken. Schließlich sind sich die verschiedenen Widerstands-und Terrorgruppen nur in ihrer Ablehnung des Besatzungsregimes einig, nicht aber hinsichtlich ihrer Vorstellungen über die Zukunft des Landes. Solange die ausländischen Truppen jedoch bleiben, geht der Krieg weiter.

Vielleicht hätte es noch vor einigen Monaten die Chance gegeben, dass die Vereinten Nationen als neutrale Mittlerin politisch hätten wirken können. Das ist vorbei, zumindest für den Augenblick. Zum einen wird die UNO inzwischen von vielen Irakis als Erfüllungsgehilfin der USA betrachtet – dies dürfte durch die jüngste UN-Resolution neue Nahrung erhalten haben. Zum anderen zeigt der Anschlag auf das Rote Kreuz, dass inzwischen jene Kräfte allzu stark sind, die allen ausländischen Organisationen feindselig gegenüberstehen.

Wie es weitergehen wird, vermag derzeit niemand zu sagen. Fast nichts ist ausgeschlossen: weder ein jahrelanger Krieg noch der territoriale Zerfall des Landes noch eine islamistische Diktatur. Nur mit der Entwicklung hin zu einer Demokratie sollte niemand mehr rechnen. BETTINA GAUS