„Das Lustwandeln bekommt seine Renaissance“

Der Konsum-Experte Ulrich Eggert gibt dem Modell Warenhaus noch eine Zukunft – in einer luxuriösen Nische und wenn es Spaß macht, in den Häusern umherzulaufen

taz: Herr Eggert, Karstadt ist in der Krise. Viele sehen das als Sinnbild für das Ende des Warenhauses. Wo werden wir denn in Zukunft einkaufen?

Ulrich Eggert: Die Diagnose ist populär, aber stimmt so nicht. Der Marktanteil der Warenhäuser ist zwar von 12 Prozent in den Siebzigern auf heute 4 Prozent gesunken. Aber Warenhäuser werden weiterhin ihren Markt haben.

Wo denn?

In Großstädten auf jeden Fall. Aber auch einer Mittelstadt mit 80.000 Einwohnern kann nichts Besseres passieren, als ein Warenhaus im Zentrum zu haben. Es hängt aber viel davon ab, wie sich das Haus präsentiert.

Zurzeit offenbar wenig erfolgreich. Die Leute kaufen lieber im Discounter oder auf der grünen Wiese.

Die Warenhäuser können sich nicht als Billigmärkte verkaufen. Sie haben von Haus aus die teuersten Strukturen. Die Immobilienpreise sind in der Stadtmitte besonders hoch. Und sie brauchen viel Personal, weil sie so viele Branchen abdecken. Sie müssen teurer sein als andere. Aber das bedeutet nicht, dass die Idee des Konsumtempels tot ist.

Wie sieht dann das Warenhaus der Zukunft aus?

Es wird hochwertiger sein und markenorientiert. Emotionen werden eine wichtige Rolle spielen. Es muss Spaß machen, in den Häusern umherzulaufen. Früher hieß so etwas Lustwandel.

Das Lafayette in Paris bietet einmal pro Woche lila Einkaufskörbe für Singles auf Partnersuche an. Ist so etwas zukunftsträchtig?

Ja, damit bringe ich Emotionen in den Laden. So etwas baut doch Brücken zwischen den Menschen und schafft Kommunikation. Und das Warenhaus sollte auch gleich ein Szenelokal dazu anbieten.

Wo die künftigen Paare dann über ihre Einkäufe reden können? Ist das die Antwort des Handels auf die zunehmende Zahl der Singlehaushalte?

Das ist ein großes Thema – und hängt auch mit der alternden Gesellschaft zusammen. Denken Sie daran, dass die Mehrheit der Singles über 50 sind, zum Beispiel nach dem Tod des Partners. Ältere Leute haben die Angewohnheit, zu glauben, sie hätten schon alles. Aber wenn sie etwas kaufen, dann teurer, besser. Das passt zum hochwertigen Warenhaus.

Also werden bald nur noch ältere Leute bei Karstadt und Co kaufen?

Warum? Wenn ein Kaufhaus den Wünschen von Älteren – wie Beratung und Bequemlichkeit – entgegenkommt, kann das auch andere Altersgruppen ansprechen. Ruheinseln, große Schriften, dezentes Licht – das alles ist ja auch nicht unangenehm für jüngere Kunden.

Also wird künftig neben jedem Toilettenpapierregal ein Sessel stehen?

Nein. Waren des täglichen Bedarfs einzukaufen, ist kein Erlebnis. Dafür könnte es in Zukunft einen Personal Shopper geben, den man sich auch mit anderen teilen kann. Dazu braucht man gar keinen Laden mehr. Ich bestelle die Sachen im Internet und lasse sie liefern. Das gibt es ja schon bei Büchern. Aber Wein zu kaufen oder Bekleidung, das bleibt ein Erlebnis, das sich niemand nehmen lassen will. Und das muss möglichst angenehm präsentiert werden.

Ist das Angenehmste in Deutschland nicht immer noch ein niedriger Preis? Das widerspricht doch dem Warenhaus als hochwertigem Konsumtempel.

Nein. Es werden Flächen im Einzelhandel verschwinden. Aber die Läden, die übrig bleiben, werden sowohl das Billigsegment abdecken als auch hochwertige Güter. Allerdings nicht unter einem Dach. Jedes Geschäft wird sich auf einen bestimmten Typ einstellen und ihn in seinem Lifestyle mit entsprechenden Marken bedienen. Jeder Kunde arbeitet ständig an seinem Selbstdesign, das sich aber im Laufe des Tages ändern kann. Der Trend zum hybriden Kunden wird sich verstärken. Der kauft morgens bei Aldi ein und bestellt sich abends Handgefertigtes bei Manufactum.

Es gibt aber auch eine konsumkritische Tendenz wie die „No Logo“-Bewegung. Die kommt in so einem Konzept nicht vor.

Das wird nie ein Massentrend werden. Der Mensch ist ein Mensch und will auch angeben mit dem, was er hat.

INTERVIEW: STEPHAN KOSCH