Gereifte Unternehmenskultur

Netzwerk 50+ unterstützt nicht mehr ganz junge Arbeitnehmer. Personalchefs halten sie eh für verlässlicher und loyaler

Kiel dpa ■ Seit fast zwei Jahren ist Jürgen Kudzus ohne Job. Nach 200 erfolglosen Bewerbungen bilanziert der 57-Jährige ernüchtert: „Das Handicap ist immer wieder das Alter.“ Er bleibe aber zuversichtlich: „Ich glaube nicht, dass alle über 50-Jährigen abgeschrieben sind.“ In der Kieler Arbeitsloseninitiative „Netzwerk 50+“ findet der gelernte Techniker wie knapp zwei Dutzend weitere Erwerbslose Unterstützung. Doch ein „Ende des Jugendwahns“ sehen viele Betroffene wie Beobachter nicht.

Zwar gebe es auf dem Markt für ältere Arbeitnehmer „ermutigende Anzeichen“, sagt Arbeitsmedizinerin Gunda Maintz. „Betriebe, die an ihre Zukunft denken, entblößen sich heute nicht mehr ihrer Älteren.“ Doch die Expertin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sieht noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Firmen müssten sich „auf Unternehmenskultur besinnen, auf ihre gesellschaftliche Verantwortung“, mahnt Maintz.

Der Kieler Projektleiter Helmut Riedel bekräftigt mit Blick auf die Qualifikation der Mitglieder des „Netzwerkes 50+“: „Zu verbessern ist bei vielen gar nichts, nur zu ergänzen oder aufzufrischen.“ Angesiedelt ist das Netzwerk bei der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein, das Land fördert das im Dezember 2003 initiierte Projekt im ersten Jahr mit 90.000 Euro. Seit Januar haben laut Riedel 18 Teilnehmer mit Hilfe des Netzwerkes einen neuen Job gefunden.

In Umfragen gestehen Personalchefs die Vorzüge gestandener Mitarbeiter ein. So gaben in einer Befragung der Zeitarbeitsfirma Randstad 61 Prozent von 400 Personalchefs deutscher Unternehmen an, sie hielten ältere Mitarbeiter für verlässlicher und loyaler. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelte, dass 70 Prozent von fast 400 Betrieben in der Auto- und Elektrobranche „die gesammelte Erfahrung der gestandenen Kollegen für unentbehrlich“ halten.

Entgegen solcher Bekundungen zeichnen Statistiken ein düsteres Bild. In Hamburg (24,1 Prozent) und Schleswig-Holstein (23,6) beispielsweise war im September je knapp ein Viertel der Arbeitslosen älter als 50 Jahre. In der Hansestadt zählte die Bundesagentur für Arbeit 19.767 Erwerbslose im Alter von 50 bis 64 Jahren, zwischen Nord- und Ostsee 31.002.

Bundesweit bemühen sich Arbeitslosen-Initiativen wie das Kieler Netzwerk um Verbesserung. Auf ihrem Weg zurück in den Arbeitsmarkt schätzen Jürgen Kudzus und seine Mitstreiter besonders die Arbeitslosen-Initiativen: „Man hat Gesprächspartner, die zuhören und uns verstehen.“ Gezielt sprechen die Netzwerker Firmen an, durchforsten Jobbörsen, helfen einander bei Internetauftritt und Bewerbung. Kudzus betont: „Wir fühlen uns im Netzwerk besser betreut, bei der Bundesagentur wird man nur verwaltet.“ Jörg Bender

Internet: www.netzwerk50plus.de