Schmutzfink und Stasi-Methoden

Anonymes Papier denunziert Dezernenten der Bezirksregierung Braunschweig als SPD-Mitglieder und „GEW-Aktivisten“. Das Ziel: Mitarbeiter sollen von anstehenden Beförderungen ausgeschlossen werden. SPD wittert Koalitionsfilz

von Kai Schöneberg

Ein anonymes Schreiben denunziert Mitarbeiter der Bezirksregierung Braunschweig als SPD-Mitglieder, „GEW-Aktivistin“ oder „Gesamtschulaktivist“ und fordert Maßnahmen, sie bei Beförderungen im Schuldezernat zu umgehen. Solch ein Papier zeige, dass die Landesregierung „Stasi-Methoden“ verwende, wütete die SPD. CDU und FDP würden Parteifreunde bei der Vergabe von Posten begünstigen.

Es knisterte im Landtag, als SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel gestern dem Parlament das Papier mit dem Titel „Situation und Handlungsbedarf“ über anstehende „personelle Veränderungen“ im „Dezernat 404“ der Bezirksregierung Braunschweig präsentierte. Unbescholtene Mitarbeiter sollten damit wohl „stigmatisiert“ und fachlich abgewertet werden, sagte Gabriel.

Aus dem Papier wird ersichtlich, wann Leiter und Vize der Schulabteilung in der Bezirksregierung in den Ruhestand gehen. Es folgen Beschreibungen der Berufslaufbahn einzelner Mitarbeiter. Über einen Dezernenten ist vermerkt: „SPD, GEW-Aktivist, früher Gesamtschulaktivist, sehr enger Vertrauter von AL 4“ – ein Abteilungsleiter, der den Grünen zugerechnet wird. Über einen „LRSD“ (Leitender Regierungsschuldirektor) ist zu lesen: Er gebe „sich nach allen Seiten offen (nach Definition des MP: ‚nicht ganz dicht‘)“ – damit meint der Verfasser wohl Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU). Unter der Überschrift „Handlungsbedarf“ empfiehlt das Schreiben, künftig das Auswahlgremium für neue Dezernatsleiter im Kultusministerium „personell geeigneter“ zusammenzusetzen. Auch sollten Posten nicht mehr ausgeschrieben werden, weil sonst „ein eigentlich ungeeigneter Schulleiter-Bewerber nur schwer ausgebremst werden könnte“. Stattdessen sollten Bewerber per „Abordnung“ direkt durch das Ministerium bestellt werden. Derzeit gebe es im Bereich des Kultusministeriums bereits 14 „Abordnungen“ – zwei mehr als laut Haushaltsordnung zulässig, kritisierte die SPD. Man verfahre offenbar bereits so, wie in dem Schreiben vorgeschlagen. Die Liste sei sogar „offenbar im Auftrag“ des Kultusministers entstanden, polterte SPD-Fraktionschef Gabriel. Fraglich fanden die Sozialdemokraten auch, dass Liesel Westermann, Weltmeisterin im Diskuswerfen, plötzlich zur „Projektleiterin Bewegungs- und Gesundheitstraining“ im Kultusministerium werden konnte. Es sei zu vermuten, dass Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) seiner Parteifreundin die Stelle zugeschanzt habe. Die Landesregierung solle „lückenlose Aufklärung in die Braunschweiger Denunzianten-Affäre bringen“, forderte die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms und zugleich Akteneinsicht und eine Sondersitzung des Kultusausschusses. Kultusminister Bernd Busemann (CDU) wies die Kritik vehement zurück. Mit dem „anonymen Schreiben eines Schmutzfinken“ wolle er sich nicht befassen. „Die Landesregierung entscheidet ausschließlich nach Leistung und Qualifikation“, wie Stellen besetzt würden, betonte der Minister. In der Bezirksregierung habe es jedoch offenbar „ein Problem mit dem Betriebsklima“ und „personalpolitische Eifersüchteleien“ gegeben. Jetzt sei „der Fall geklärt“. Jürgen Franke, Behördenchef in Braunschweig sagte zur taz, das Schreiben stamme „nicht aus unserem Haus“. Jeder „mit einer gewissen Insiderkenntnis hätte es erstellen können“.