Finaler Schuss, fatale Folgen

Für Populisten ist der finale Rettungsschuss nur ein Schlagwort, um Härte zu demonstrieren. Eine bundeseinheitliche Regelung, wie sie Gegner und Befürworter fordern, wird bislang blockiert

von Kai von Appen

Banküberfall auf dem Steindamm: Ein Mann hat eine Geisel genommen, er droht, sie zu erschießen. Die Polizei verhandelt, gewährt ihm scheinbar freien Abzug und zieht sich optisch etwas zurück. Der Mann will durch den Vordereingang der Bank zum Fluchtwagen gelangen, vor ihm die Geisel, er drückt ihr seine Pistole direkt an den Kopf. Dass rechts neben ihm, hinter einem Sims versteckt, der Kripobeamte Rainer F. im Trenchcoat und Mütze lauert, bemerkt er nicht. Kaum ist der Geiselnehmer auf Höhe, drückt der Polizist ab, direkt auf den Hinterkopf. Der Täter ist sofort tot, die Geisel bleibt unversehrt.

Eine Szene, die 1973 um die Welt ging. Es war der erste finale Rettungsschuss in der Bundesrepublik. Und er sorgte für heftige Debatten im Land. Die Untersuchung gegen den Kripomann ergab, dass er in Nothilfe für die Geisel gerechtfertigt gehandelt hat. Inzwischen gibt es Spezialkommandos und Präzisionsschützen der Polizei, die für solche Einsätze speziell vorbereitet, geschult und rechtlich gebrieft sind und den Todesschuss aus der Distanz abfeuern.

Trotzdem ebbt die Diskussion um die „Legalisierung“ des finalen Rettungsschusses nicht ab. Immer wenn ein Innenminister – jüngst Hamburgs Innensenator Udo Nagel – sich mit Law-and-Order-Forderungen profilieren will, kommt der finale Rettungsschuss, wie er euphemistisch genannt wird, wieder aufs Tapet. So plant Nagel, ihn bei seiner geplanten Novellierung des Hamburger Polizeigesetzes polizeirechtlich zu verankern. Dies soll vielleicht sogar – so taz hamburg-Informationen – notfalls nur durch eine Verwaltungsverordnung geschehen, die durch eine Ermächtigungsklausel im neuen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) – abgedeckt ist, so wie der Einsatz von V-Leuten.

In der Tat gibt es auch im liberalen Lager Befürworter der rechtlichen Definierung des finalen Rettungsschusses. „Im Moment ist es so, dass der Beamte diese Verantwortung zu tragen hat und gegen ihn erstmal wegen Totschlags ermittelt wird“, sagt die Verwaltungsjuristin und Ex-Professorin der Polizei-Uni in Hamburg, Ruth Wehner. „Da drückt sich der Gesetzgeber.“

Aber auch die Gegner bleiben konsequent. „Hier geht es nicht um eine unberechtigte Festnahme, hier geht es um die staatliche Auslöschung eines Lebens“, warnt der Sprecher der Kritischen PolizistInnen, Thomas Wüppesahl. „Unsere Präzisionsschützen wissen, wie sie zu handeln haben. Es herrscht keine Rechtsunsicherheit beim finalen Rettungsschuss, es herrscht Sicherheit – allein durch die allgemeine Rechtsprechung.“ Es sei eine Verpflichtung des Rechtsstaats, jede Maßnahme einer Überprüfung zu unterziehen. Durch eine geplante Generalklausel im SOG finde eine Umkehrlast statt: Es müsse erst nachgewiesen werden, dass der Schuss ungerechtfertigt gewesen sein könnte, bevor Untersuchungen stattfänden. Wüppesahl: „In Hamburg hat es noch nie Probleme mit dem finalen Rettungsschuss gegeben.“ Wolle man ihn gesetzlich regeln, müsse er bundeseinheitlich in der Strafprozessordnung verankert werden.

Davor warnt Wehner. „Es wäre der falsche Weg“, sagt die Expertin. Sie unterstützt die Empfehlung der Innenminister-Konferenz für eine einheitliche Regelung in den Polizeigesetzen der Länder. „Am klarsten wäre ein Passus, dass, wenn Leib und Leben in Gefahr sind und kein anderes Mittel möglich ist“, vom finalen Rettungsschuss Gebrauch gemacht werden dürfe. Wehner: „Jetzt haben wir die Situation: Die Polizei stützt sich beim finalen Rettungsschuss darauf, dass jemand mit Schusswaffengebrauch angriffs- und fluchtunfähig gemacht werden darf.“

Für eine einheitliche Regelung bundesweit tritt gegenüber der taz hamburg auch die Beamtin eines Sondereinsatzkommandos aus Norddeutschland ein. „Wir wissen im Allgemeinen, wie weit unsere Befugnisse gehen“, so die Polizistin. „Aber es ist schon schwierig, in einer brenzlichen Situation und wenn diffuse Einsatzbefehle kommen, nachdenken zu müssen, wo befinde ich mich eigentlich: Gehören Wedel oder Norderstedt noch zu Hamburg, oder ist das schon Schleswig-Holstein?“