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Aufs Dach gestiegen

Schwindelfrei Kamine zu kehren ist eine Seite, energietechnische Fachkenntnisse die andere: Schornsteinfeger ist ein Umweltberuf

von SARAH KALAGI

Heute steigt Nils Eggers wieder fremden Leuten aufs Dach. Zu deren Sicherheit. Der 21-Jährige ist Schornsteinfeger-Azubi und im zweiten Lehrjahr. Bevor er mit Kehrleine und Rußsack rauf zum Schornstein klettert, stehen jedoch Messungen an der Gasheizung an. „Wenn der Energieverlust oder der Kohlenmonoxid-Ausstoß zu hoch ist, dann ist die Heizanlage nicht mehr umweltverträglich“, weiß Eggers.

Seit die Umweltpolitik Anfang der 70er Jahre an Bedeutung gewann, hat sich das Berufsbild der Schornsteinfeger gewandelt. Neben dem Reinigen und Ausfegen von Schornsteinen und Kaminen zur Brandverhütung, der Kehrarbeit, gehört nun auch der Umweltschutz dazu. „Außerdem beraten wir, wenn es um die Wahl einer neuen Heizungsanlage geht, oder geben Tipps, wie man Energie sparen kann“, erklärt der 33-jährige Geselle Heiko Schröder, der den Auszubildenden Eggers betreut.

„Höhenangst darf man trotzdem nicht haben“, stellt der 21-Jährige fest. „Und auf jeden Fall sollte man gut in Mathe, Chemie und Physik gewesen sein.“ Diese Fächer seien wichtig, „um Naturgesetze zu verstehen und Verbrennungsgleichungen aufzustellen“. Ein guter Hauptschulabschluss und ein entsprechender Eignungstest sind deshalb für jeden Bewerber obligatorisch.

Nils Eggers hat den Test bestanden und von 30 Bewerbern einen der sieben Ausbildungsplätze ergattert – die Begrenzung, so Uwe Hofstetter von der Hamburger Schornsteinfeger-Innung, kann eine spätere Anstellung weitgehend sicherstellen. Bewerben sollte man sich möglichst bis Dezember für die Lehre, die am 1. September 2004 beginnt. Die Ausbildung geht im Normalfall über drei Jahre, eine gute Zwischenprüfung oder das Abitur verkürzt sie um ein halbes Jahr. Bei der praktischen Arbeit vor Ort lernen die angehenden Schornsteinfeger, Heiz- und Lüftungsanlagen zu überprüfen, Schornsteine, Kamine und Abgaswege zu reinigen, Immissionsschutzmessungen vorzunehmen und ihre Arbeitsergebnisse zu dokumentieren.

Den theoretischen Unterbau liefert insgesamt zwölf Wochen im Jahr die Berufsschule. Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie Emissions- und Umweltschutz, Bau- und Energietechnik, aber auch Sport. Akrobatische Höchstleistungen müssen auf dem Dach zwar nicht vollbracht werden, aber etwas sportlicher Elan kann nicht schaden.

Was man nicht auf der Schule lernt, muss man selber mitbringen. „Wenn man nett und aufgeschlossen ist, hat man es mit den Kunden leichter“, stellt Nils Eggers fest. „Um die zwanzig Anlagen am Tag besuchen wir“, fügt Heiko Schröder hinzu, „der Kundenkontakt ist bei diesem Beruf natürlich groß.“ Dabei profitieren die Schornsteinfeger immer noch von ihrem Image als Glücksbringer. „Vor allem Kinder wollen uns anfassen“, sagt Heiko Schröder. Gern gesehen sind die Männer in Schwarz auch auf Hochzeiten.

Weibliche Schornsteinfeger sind zwar selten, aber die Karriereleiter über Lehrling, Geselle bis hin zum Meister steht auch Frauen offen. Immerhin einer der 117 Kehrbezirke in Hamburg wird von einer Bezirksschornsteinfegerin geleitet. Und da das Schornsteinfegerwesen als Umweltberuf anerkannt ist, ist es später auch möglich, als Energie-und Gebäudeberater zu arbeiten.

Nils Eggers will den klassischen Weg gehen und peilt nach seiner Gesellenprüfung in zwei Jahren den Meister an. Für ihn hat sich die Ausbildung zum Schornsteinfeger jedenfalls als Glücksgriff erwiesen: „Am besten gefällt mir, dass ich etwas bewirke“, resümiert er seine bisherige Lehrzeit, „und zum Umweltschutz beitrage.“

Bewerbungen an: Schornsteinfeger-Innung Hamburg, Uwe Hofstetter, Osterrade 19, 21031 Hamburg. Infos unter ☎ 73 92 13 43.

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