Keine Angst vor dem Teufelszeug

EU-Projekt legt optimiertes Konzept für IT-Schulungen für Frauen vor, denn sie haben immer noch mehr Hemmungen vor der PC-Nutzung als Männer

VON EDITH WINNER

„Männer drücken auf einen Knopf und warten, was passiert; Frauen wollen erst sicher sein, dass nichts Unerwartetes geschieht“, erläutert Wilfried Baumgarten von der TÜV-Akademie GmbH geschlechtsspezifische Differenzen bei der PC-Benutzung. Baumgarten ist Koordinator eines EU-geförderten Projekts, das in sieben europäischen Ländern IT-Trainings für Frauen analysiert und optimiert hat und nun die Ergebnisse seiner zweijährigen Arbeit präsentiert. Unter dem Titel „e-chance for women“ beteiligten sich elf Unternehmen und Institutionen aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Griechenland, Finnland, der Tschechischen und der Slowakischen Republik an dem Projekt. „Uns hat gerade der geschlechtsspezifische Ansatz interessiert“, so Baumgarten. „Davon haben wir uns eine Verbesserung unserer eigenen Bildungsangebote versprochen.“

Reine Frauen-Computerkurse haben in Deutschland schon Tradition, viele Volkshochschulen haben sie im Programm, in jeder größeren Stadt gibt es eine Frauen-Computerschule. Das Modell hat sich durchgesetzt, keine Frage. Aber wenn private Bildungsanbieter, hochrangige Forschungsinstitute und Wirtschaftskammern sich grenzübergreifend in einer konzertierten Aktion für einen geschlechtsspezifischen Ansatz stark machen, rätselt man doch: Woher das geballte Interesse?

„Der Anstoß zu ‚e-chance for women‘ kam aus Ostrava“, berichtet Baumgarten, „einer tschechischen Industriestadt, in der in den Neunzigerjahren die Zahl der arbeitslosen Frauen in die Höhe schnellte.“ Mangelnde Computerkenntnisse galten als eine der Hauptursachen. Um die Jobchancen vor allem junger Mütter und erwerbsloser Frauen mittleren Alters zu verbessern, wollte man sie fit für Computer machen. Ein tschechischer Bildungsträger schob das Projekt gemeinsam mit der Universität Ostrava an, das EU-Programm „Leonardo da Vinci“ stellte Mittel dafür bereit.

„Als wir anfingen, ging es auch um Jobchancen“, erinnert sich Duscha Rosen vom FrauenComputerZentrum Berlin, das 1984 bundesweit die erste Computerfortbildung nur für Frauen anbot: einen 18-Wochen-Einsteigerinnen-Kurs mit dem Titel „Keine Angst vor Computern!“, der zum Dauerbrenner werden sollte – er geht gerade in die 42. Runde. „Die Einführung der EDV hat damals viele Frauen aus den Büros wegrationalisiert. Erst hieß es, Computer sind Teufelszeug, aber bald war klar, dass die Entwicklung nicht aufzuhalten ist“, erzählt Rosen. „Also war der Gedanke: Wenn wir uns schon mit der neuen Technik auseinander setzen müssen, dann wenigstens unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Frauen einen anderen Zugang zu Technik haben als Männer.“ Heute schult das FCZB 1.500 Teilnehmerinnen pro Jahr – Einsteigerinnen, aber auch Fortgeschrittene, die sich aus einem breiten Angebot an Workshops gezielt ihre Lernmodule herauspicken.

Das EU-Projekt startete standesgemäß mit einer europaweiten Studie. Teilnehmerinnen und Trainer von Frauen-Computerkursen in allen beteiligten Ländern wurden befragt. Zusätzlich wurden 32 ausführliche Erfahrungsberichte von so genannten Examples of Good Practice ausgewertet. Das Ergebnis der Studie belegte, so Baumgarten, dass die Problematik in allen Ländern gleich sei: „Frauen haben beim Umgang mit Computern deutlich mehr Hemmungen als Männer und sind durch fehlende Erfahrungen im IT-Bereich bei der Jobsuche stark benachteiligt.“

Auf der Basis der Studie wurde ein Paket von Lehr- und Lernmedien entwickelt, die den Teilnehmerinnen von IT-Kursen in ganz Europa zugute kommen sollen: ein methodischer Leitfaden für Trainer und Bildungsberater; ein interaktives Trainingsprogramm für IT-Trainer; ein „pre-training“ für Frauen, mit dem sich Computerunerfahrene vor der Kursteilnahme mit dem unbekannten Gerät vertraut machen können; und schließlich ein Handbuch, in dem die Ergebnisse der Studie dokumentiert und Berufsbilder aus dem IT-Bereich skizziert sind. Die Materialien, die derzeit in die Sprachen der beteiligten Länder übersetzt werden, lassen ein durchgängiges didaktisches Prinzip erkennen: Die Lernenden da abzuholen, wo sie sind.

Unerfahrenen Teilnehmerinnen werden Vorgänge im Computer anhand von Beispielen aus ihrer alltäglichen Lebenswelt erklärt. Männliche Trainer werden dazu angehalten, sich schon in der Planungsphase in die Welt ihrer spezifischen Zielgruppe hineinzuversetzen: Welche Alltagstätigkeiten sind den Frauen vertraut? Welche beruflichen oder privaten Erfahrungen bringen sie mit? Von diesem methodischen Ansatz sollen all jene Frauen profitieren, die sich in herkömmlichen gemischten Gruppen schwer tun, gegen die Technikbegeisterung der Männer anzukommen.