der wochenendkrimi
: Kitschfreiheit

„Tatort: Herversagen“, So, 20.15 Uhr, ARD

Versucht da jemand die demografische Entwicklung zu manipulieren? Im Bahnhofsviertel von Frankfurt werden in Serie vereinsamte Rentnerinnen ermordet. So bindet dieser „Tatort“ des Hessischen Rundfunks ein weiteres Mal soziologische und kriminaltechnische Betrachtungen in eine Story ein, die mit existenzialistischer Düsternis vom Leben und Sterben in der Finanzmetropole erzählt. Da wird der Zuschauer etwa Zeuge, wie schwierig es ist, eine Leiche für die Obduktion freizubekommen, die längst nach Thüringen gekarrt wurde, weil dort aufgrund anderer Umweltauflagen billigere Armenbegräbnisse möglich sind. Oder es wird der bürokratische Wahnsinn beschrieben, der für die Anwendung eines Computerverfahrens namens Streifenlichttopometrie in Gang gesetzt werden muss. Diese zermürbenden Amtsabläufe haben Stephan Falk (Buch) Thomas Freundner (Regie) in einen nicht eine Sekunde langweiligen Fall eingebaut, der die Ermittler Sänger (Andrea Sawatzki) und Dellwo (Jörg Schüttauf) immer stärker persönlich in Anspruch nimmt. Sänger etwa, deren pflegebedürftige Mutter zwei Folgen zuvor von einem Psychopathen ermordet wurde, sieht sich auf ihr eigenes Trauma zurückgeworfen. Bitter, wie sie eines Tages die Leiche einer alten Frau untersuchen muss, die sie zuvor noch kennen gelernt hat – die verwirrte Alte hatte sie von der Straße hochgewunken, um in der Wohnung ihr verlorenes Gebiss zu suchen. „Herzversagen“ ist gewohnt harter Stoff aus Frankfurt: eine kitschfreie Studie über das Altern und die Einsamkeit in der Großstadt. CHRISTIAN BUSS