: „In der CDU steckt ein grüner Kern“
Trotzdem hat die ehemalige CDU-Wahlkämpferin und Romanautorin Susanne Fengler für Edmund Stoiber (CSU) gearbeitet. Ein taz-Gespräch über das politische Handwerk der Phrasendrescherei, die Chancen für Schwarz-Grün und Fenglers Begeisterung für Angela Merkel
INTERVIEW SUSANNE LANG
Bundestagswahlkampf 2002. Susanne Fengler (32), Kommunikationswissenschaftlerin, arbeitet für die CDU im Bereich politisches Marketing. Fachfrau für Schlagworte, Zuspitzung und Schönreden. Herbst 2004. Susanne Fengler hat der Welt der Parolen den Rücken gekehrt, lebt wieder „draußen“, wie sie es nennt. Der Wahlkampf 2006 rollt langsam an. Deutschland steckt immer noch und immer schlimmer in der Krise. Zeit für einen Blick zurück in die Innenwelt des Polit-Talks, die Susanne Fengler sehr gut kennt. Ein gemeinsamer Fernsehabend bei der Sendung „Sabine Christiansen“ – mit Roland Koch (CDU), Heide Simonis (FDP), Barbie Haller (FDP) und Jörg Tremmel (Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen) u. a. zum Thema: Deutschlands Jugend – viele Chancen, wenig Perspektiven?
taz: Frau Fengler, wie viele Floskel-Klassiker haben Sie bisher entdeckt?
Susanne Fengler: Auf jeden Fall „Zukunftsfähigkeit“: dass wir mit den Reformen früher hätten anfangen sollen. Und „Populismus“: Jung gegen Alt ausspielen.
Gemeinsam Lösungen finden …
Absolut: Konsens. All die Sätze der beiden Nachwuchspolitiker könnten auch von Roland Koch stammen. Seine Generation hat uns nur immer noch etwas voraus: Sie ist streitbarer. Wir sind zwar sehr kritisch, aber immer am Konsens orientiert. Streit ist negativ besetzt. Das war in den 70er- und 80er-Jahren noch anders.
Das lässt ja wenig Hoffnung.
Na ja, routinierte Sprachrituale lernt man als Erstes im politischen Betrieb: Man versucht, sich unangreifbar zu machen, indem man darauf zurückgreift.
Haben Sie heute ein schlechtes Gewissen, dass Sie 2002 für die CDU Sprechblasen produziert haben?
Das hat etwas von Schizophrenie: Einerseits weiß man, dass Zuspitzungen nicht weiterführen, andererseits ahnt man, dass differenzierte Formulierungen im öffentlichen Diskurs nicht mehr durchdringen. Weil ja auch der Gegner Positionen sehr verkürzt wiedergibt oder angreift. Und weil die Medien zuspitzen.
Eine Art Spiel? Und plötzlich lebt man in dieser Schlagwortwelt, wie Sie es beschrieben haben?
Man ist sich bewusst, dass es sich um professionelle Arbeit handelt, von daher trifft der Ausdruck „Spiel“ ganz gut. Ich nenne es auch manchmal Krieg, obwohl das ein hartes Bild ist, aber es kommt dem sehr nahe.
Welcher Schlachtslogan stammt denn von Ihnen?
„Was von rot-grün übrig blieb“, zum Beispiel. Das stand auf Seifenblasendöschen, die wir verteilen ließen. Klasse war der Stoiber-Magnet, den die Werbeagentur ausgeheckt hatte, darauf stand: „Hält, was er verspricht.“ Das fand ich witzig, weil es politisch und doch nicht so ernst war.
Selbstironie zeichnet doch eigentlich eher die Grünen aus.
Stimmt, das machen sie super und kommt bei ihrer Klientel gut an. Voraussetzung dafür ist aber auch ein gewisses Understatement, ein gewisser Bildungsgrad. Da können die Spins ausgefallener sein.
Gibt es denn auch „Don’ts“ unter den Floskeln?
Nicht dass ich wüsste. Das wäre bestimmt eine tolle Sache, aber wie sollte man dann Sendungen wie „Christiansen“ bestreiten?
Wie sehr unterscheiden sich die Parteien im Spin?
Da herrscht nicht immer Waffengleichheit. Die SPD hat im Wahlkampf 2002 zum Beispiel das Thema Frauen unheimlich geschickt für sich instrumentalisiert. Das Wahlergebnis war entsprechend. An Edmund Stoiber dagegen klebt ja wirklich dieses Image „Mann, der Frau zurück an den Herd schickt“.
Im Gegensatz zum Modell Roland Koch?
Roland Koch steht auch für einen ganz bestimmten Karrieretypus. Ich habe eine Menge Leute in der Jungen Union beobachtet, die sich an ihm zu orientieren scheinen. Hinzu kommt: Viele nutzen mittlerweile die Parteien vor allem für ihre Karriere, nicht um des Diskurses willen.
Warum hätten Sie nie für die SPD arbeiten wollen?
Der Grund klingt vielleicht irrational, aber ich bin in Dortmund aufgewachsen in den 70er- und 80ern, einer absoluten Hochburg der SPD, neben der keine andere Partei bestand. Das empfand ich als extrem erdrückend. Dazu kommt, dass Paradigmen wie Freiheit für mich politisch eine sehr große Rolle spielen, eine größere als subventionierte Solidarität etwa. Ich habe aber auch Freunde, die SPD wählen.
So weit ist es mit der Solidarität ja gar nicht mehr her, wenn man an Hartz IV denkt. Müsste sich die CDU dabei weniger verbiegen als die SPD?
Soweit ich gehört habe, hat Regierungssprecher Béla Anda das Thema in der Tat bewusst zurückgestellt, von daher scheint es tatsächlich ein Vermittlungsproblem eines wichtigen Menschen im Regierungsapparat gegeben zu haben. Aber wie sollte man Maßnahmen, die sehr vielen Menschen sehr wehtun, auch gut vermitteln?
Aber es geht doch um Deutschland … wie Sie in Ihrem Buch die CDU oft zitieren.
Klar. Tut das materiell weniger weh?
Dann ist es gar nicht so schlecht, dass Maßnahmen wie 1-Euro-Jobs so hart klingen?
Man redet sich in Deutschland immer noch sehr viel schön, es gibt viele Tabus, insofern ist das vielleicht ein erster Beitrag zu mehr Offenheit.
Maggie Merkel? Auch so eine Strategie, die mehr Härte signalisieren soll?
Ich glaube, dass diese Analogie nicht von Merkel selbst gestreut wurde. Einige wirtschaftliche Thesen stimmen überein, aber in anderen Punkten sehe ich eher große Unterschiede: Der Merkel’sche Thatcherismus ist immer noch sehr viel sozialer als der „echte“. Aber das Signal ist ja auch nicht das schlechteste: als starke, knallharte Entscheiderin mit Maggie Thatcher verglichen zu werden. Ich zumindest würde das als Kompliment empfinden.
Wieso fasziniert Sie Angela Merkel?
Abgesehen davon, dass sie eine Frau ist und protestantisch, halte ich sie für sehr klug. Sie steht für eine andere CDU, ganz anders als die unter Kohl. Vielleicht sogar für eine, die einmal mit den Grünen koalieren könnte.
Hmm – Stichwort Unterschriftenaktion gegen den EU-Beitritt der Türkei? Damit hat auch Merkel anfangs sympathisiert.
Okay. Ich habe ja auch ein persönliches Problem mit solchen Unterschriftenaktionen, weil sie eine halbwegs ausgewogene Debatte ausschließen. Aber was die Wirtschafts- und Finanzpolitik angeht, liegen Merkels Position und die der Grünen gar nicht so weit auseinander. Meiner Wahrnehmung nach ist zum Beispiel eine stärkere Eigenverantwortung auch bei den Grünen ein wichtiges Thema. Und was die Umweltpolitik betrifft, da sind sie zwar noch weit auseinander, aber ich glaube, in der CDU-Seele schlummert auch ein sehr grüner Kern, ein nachhaltiger, der über „Atomkraft – ja oder nein?“ hinausgeht.
Das klingt schön utopisch.
Ich kenne viele CDU-Mitglieder und Sympathisanten, die sehr traurig sind, dass diese Option nie systematisch ausgelotet wurde. Die hoffen, dass eine stärkere Diskussion beginnt, weil die CDU dadurch auch zu zukunftsfähigeren Positionen gebracht werden könnte. Oft denkt man doch: Mann, das ist echt von vorgestern. Der damalige Protest gegen die Homoehe zum Beispiel.
Womit spricht die CDU denn Sie als Bürgerin an?
Abgesehen von wirtschaftlichen Fragen mit dem Versuch, die Eigenverantwortung zu stärken: dem Einzelnen weniger vorzuschreiben.
Und für welche CDU-Positionen schämen Sie sich?
Generell beschleicht mich bei den Einwanderungsthemen ein ungutes Gefühl. Sie werden häufig in eine falsche Richtung gedreht. Da sehe ich die Debatte nicht auf dem Stand der Zeit.
Wie sollten denn da Schwarz und Grün jemals zusammengehen?
Ich habe das Gefühl, dass gerade die Jungen in der CDU offener sind. Mit einem Generationenwechsel könnte eine Annäherung funktionieren.
Wie wären denn im Wahlkampf grünenkompatible Vorschläge von Ihnen angekommen?
Ich war ja nicht an den Inhalten beteiligt. Aber mein Steckenpferd war trotzdem immer das Thema Frauen. Ich meine, das ist sehr wichtig, gerade weil die CDU zum Teil immer noch sehr stark als Machopartei wahrgenommen wird, obwohl eine Frau an der Spitze steht.
Haben Sie sich dort wohl gefühlt?
Intern wurde man als Frau überhaupt nicht schief angeguckt. Aber ich kann mir vorstellen, dass gerade viele Jüngere sich nicht mit der Geschlechterposition der CDU identifizieren können. Dabei haben wir ja auch interessante, gute Frauen bei uns.
Ja?
So wenige sind es jedenfalls auch nicht. Wenn man sich die SPD im Kabinett anguckt – wo ist da die große Frauenfreundlichkeit?
Die SPD stellt sie aber geschickter dar?
Genau. Kommunikative Kompetenz: in der eigenen Parteipolitik gar nicht so frauenfreundlich sein, sich aber so darstellen, indem man den Gegner frauenfeindlich aussehen lässt. Beispiel Gesine Schwan, Gegenkandidatin für das Bundespräsidentenamt.
Wie kommt man aus diesem Spiel raus?
Tja, wenn man die politische Kommunikation so einfach reformieren könnte: mit mehr Ehrlichkeit.
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